Guitar Gangsters in der Festhalle: Volbeat laden zum Boogie – und Airbourne kommen mit

10.11.2016 Frankfurt, Festhalle

Gefährliches Pflaster: Da kommt man nach längerer Zeit mal wieder in die nicht gerade beliebte Festhalle (dazu unten mehr) zu Frankfurt und was passiert: ein gewisser Herr O’Keeffe rennt uns mit seiner elektrischen Sportguitarre beinahe über den Haufen und ein Herr Poulsen verwandelt ein Plektrum in ein gefährliches Wurfgeschoss, das er uns unverhohlen aus nächster Nähe an die Birne feuert. Ja was war denn da los? Aber wir greifen vor und wecken nur unnötig (natürlich völlig beabsichtigt) Neugier. Bleiben wir sachlich, denn alles begann so: nachdem sich Volbeat im Rahmen ihrer Welttournee zur aktuellen, massiv breitenwirksamen Scheibe „Seal The Deal & Let’s Boogie“ auch in unseren Breiten ankündigten, war unser Interesse bereits mehr als geweckt. Und als dann auch noch Airbourne als Opener fest stand, war klar: dies ist eine alternativlose Ansetzung, die es auf keinen Fall zu verpassen gilt. Und nachdem der Austragungsort in einer gewissen Main-Metropole sehr deutlich in den Bereich unseres bewährten Korrespondenten Bernd Weigand fällt, gab es auch keine Fragen der personellen Vertretung unserer kleinen Postille. Also: 10. November. Donnerstag. Frankfurt. Festhalle. Erste Reihe. Wo sonst…

Los geht‘s pünktlich um 19:30 Uhr mit der dritten Kombo im Bundle: die amerikanischen Crobot beginnen sichtlich motiviert und kredenzen ihren stampfenden Metal, verwurzelt im 70er Jahre Rock, als Querschnitt ihres bisherigen Schaffens (zwei Alben). Das leidet zwar unter einem recht mauen Sound (teilweise fallen ganze Boxen aus), was dem Showpotenzial der Herren aus Pennsylvania aber keinen Abbruch tut und zugegebenermaßen bei uns skurrile Assoziationen weckt: Bassist Jake Figueroa, in gebückter Haltung in seine Arbeit vertieft, erinnert an Gollum, und Shouter Brandon Yeagley mit langer schwarzer Mähne, Bart und Anklängen an Rüschenhemd an eine(n) – wahlweise – Herr oder Frau Wurst. Aber: die Croboter können sich erste Unterhaltungspluspunkte sichern. Die Darbietung ist insgesamt ok und ausreichend. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Dann steht das erste Highlight der Veranstaltung auf dem Programm: die Band, die bei Konzerten noch schneller steil geht als ihre Fans. Schon einmal im Zenith und dann auch beim Rockavaria 2015 begeisterten uns die Australier von Airbourne in der Olympiahalle vor allem mit der forschen und gnadenlosen Performance von Sänger und Chef-Guitarrero Joel O’Keeffe, der nach dem Motto „immer feste druff“ musikalisch weder Kompromisse noch Gefangene machte. Und das bei einem ganz miesen Olympiahallen-Sound. Der ist, das muss man aufatmend konstatieren, heute viel besser – für eine Vorgruppe schon richtig formidabel. Airbourne entern die Bühne und sofort ist der Ratz los. Neun Songs, darunter auch zwei des neuen Longplayers „Breakin‘ Outta Hell“, werden vorgetragen: der Titeltrack und „It’s All For Rock’N’Roll“, der Motörheads Lemmy gewidmet ist. Den Anfang macht das beinahe schon klassische „Ready To Rock“ – und ja, die Fans sind definitiv bereit, denn die gelungene atemlos dargebrachte Mischung aus offensichtlichen AC/DC- mit eher subtilen Def Leppard-Anklängen trifft den Nerv der Meute, die die Festhalle zum ersten Mal an diesem Abend in ein Tollhaus verwandelt.

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Der Knaller „Too Much, Too Young, Too Fast“ schlägt dann in die gleiche Kerbe. Wunderbares Show-Highlight ist O’Keeffes (wie erwartet bauchfrei plus, und eine anständige Jeans hat ihm noch immer niemand gekauft) Rowdy-Ritt durch die Menge, bei dem uns das Duo auf dem Rückweg zur Bühne beinahe sprichwörtlich über den Haufen spurtet. Aber ein kurzer Sidestep, ein gelungener Schnappschuss und paar O’Keeffe’sche Schweißtropfen – und weiter im Takt. Die bekannte Biernummer (der Chef öffnet eine Dose durch wiederholtes Gegen den Kopf-Dengeln) und der Sireneneinsatz dürfen natürlich auch nicht fehlen, bevor nach dem Titeltrack des Erstlings „Runnin‘ Wild“ Schicht im Schacht ist. Und wir haben das Gefühl – ein positives, wohlgemerkt –, dass gerade ein Orkan über uns weggefegt ist. Wer so eine Vorgruppe hat, ist zu beneiden. Und muss als Haupt-Act wahrlich etwas zu bieten haben, um noch „einen drauf zusetzen“.

 

Entsprechend steigt die Spannung, doch vorerst bleibt nur die Aussicht auf den überdimensionalen Vorhang, auf dem in Übergröße das Volbeat-Logo verheißungsvoll prangt. Und wir haben Zeit, einen oder zwei Blicke auf das anwesende Publikum zu werfen, das die Volbeatsche Gratwanderung perfekt widerspiegelt. Eine Gratwanderung zwischen Musik- und Fan-Welten, vielleicht auch eine gelungene Mischung. Denn die Dänen um Frontmann und Bandzentrale Michael Poulsen spielen unbestreitbar Heavy Metal, bisweilen schön hart und heftig, mit diversen Anklängen an Metallica, reichern diesen dabei aber stets mit eingängigen Melodien an, die im Ohr bleiben. Und so eine gewisse Radio-Tauglichkeit zeigen. Dabei sind Poulsens Black Metal-Wurzeln nur noch an seinem Outfit erkennbar: Bathory-Shirt und Kutte mit King Diamond-Patch. Dazu gesellen sich immer wieder die typische Rock’N’Roll Elemente aus den 50ern, musikalisch, aber auch optisch in Form der obligatorischen Haartolle – nicht umsonst verkauft der Merchandise-Stand Volbeat-Pomade (wobei wir aber lieber bei unserer Hausmarke, bleiben, denn schließlich gilt für uns: „I’m a Dapper Dan man“). Bunt wie diese Mischung, die Volbeat zu ihrem ureigenen Stil machte und macht, kommt dann auch das Publikum daher, wobei die typisch klassischen Metalheads zwar anwesend, aber hoffnungslos in der Unterzahl sind. Stattdessen erspähen wir typische Bayern- respektive HR 3-Hörer, erkennbar an Metal-unwürdigen Klamotten (wir erinnern an die Radiotauglichkeit), wir sehen diverse modische und frisurliche 50er Jahre Reminiszenzen, aber die Mehrheit des heutigen Publikums erinnert eher an das von Festival-Ansetzungen für die Mitte der Gesellschaft wie Rock am Ring, was auch an den Ring- und Park- Shirts erkennbar ist. Und auch die holde Damenwelt, das sei erwähnt,  ist überdurchschnittlich vertreten.

Aber all das ist uns nun völlig wurscht, als das bekannte Intro ertönt, mit dem sich die Mannen um Michael Poulsen ankündigen: Motörheads „Born To Raise Hell“ ergießt sich in die Festhalle (viel zu blechern, das geht doch besser, siehe „Doctor, Doctor“ bei Iron Maiden) und läutet das zweite Highlight des Tages ein, das sich über die folgenden 110 Minuten hinweg erstrecken wird. „The Devil’s Bleeding Crown“, der knallige Auftakt des aktuellen Albums, das von Kritikern bisweilen als zu flach produziert und zu weichgespült gescholten wird, markiert auch hier den Start, und Poulsens Stimme kommt übersteuert rüber, was wir einmal mehr der typischen defizitären Festhallen-Akustik ankreiden (daher die eingangs erwähnte, mangelnde Beliebtheit der Örtlichkeit). Das wird später besser – vielleicht gewöhnen wir uns auch nur daran. Neun Songs von „Seal the Deal & Let’s Boogie“ sollen es im Laufe des Abends werden, die akustisch allesamt kraftvoll und alles andere als flach daherkommen. Man merkt den Herren die Spiellaune an, Gitarrist Rob Caggiano, der ja noch bis 2013 bei Anthrax mitmischte und direkt vor uns seinen Spielplatz auf der Bühne einnimmt, ist sichtlich gut aufgelegt. Mit „Lola Montez“ kommt nun ein echter Ohrwurm an die Reihe – und auch in der Folge wechseln sich ruppigere Reißer wie „Sad Man’s Tongue“, „Boa“ oder „Slaytan“ mit Melodie-Granaten wie „The Gates Of Babylon“ oder „For Evigt“ (auch bekannt als „The Bliss“) ab. Dazwischen wird mit „16 Dollars“ noch ein echter Roggenroller gepackt. So entsteht eine wunderbare Mischung, die abwechslungsreich wie charakteristisch ist und den mannigfaltigen Stil der Band bestens abbildet.

Sehr schön auch: es geht Schlag auf Schlag. Volbeat erlauben sich keine Pausen, kein Gitarren- oder gar Schlagzeug-Solo (beides stets vollkommen unnötig und unsinnig) unterbricht den Song-Reigen. Der kleine Crowd-Surfing Wettbewerb, bei dem es eine Gitarre (sah echt aus) zu gewinnen gab, fügte sich bestens in das Programm und war obendrein lustig anzusehen. Und dann pfefferte Herr Poulsen dem arglosen Schreiberling das eingangs erwähnte Plektrum direkt n die Birne, als er unserer Bühnenseite einen Besuch abstattete. Was tut man nicht alles, um den nebenstehenden Damen ein Souvenir zu ermöglichen… Nach „Goodbye Forever“, einem weiteren Ohrwurm des aktuellen Longplayers, war dann erst einmal Schluss. Zeit für die Zugabe. Mit dem aktuellen „Black Rose“ (stilistisch leicht anders gelagert, dank Gastautor und –sänger Danko Jones) und dem akustisch eröffneten und dann herrlich metallischen „Doc Holiday“ kommen wir in den Genuss weiteren Materials, ehe nach „Seal The Deal“ Herr Poulsen das Jungvolk auf die Bühne bittet, das dann – oh Wunder – beinahe ausschließlich aus jungen Damen besteht, die mit der gesamten Band (naja, vielleicht mit Ausnahme von Schlagzeuger Jon Larsen) dann ausgelassen und auch leicht nervig eine Selfie-Orgie feiern. WÄHREND des Abschluss-Songs „Still Counting“, wohlgemerkt. Schönes Finale: einem Bub in Motörhead Shirt, sicher nicht älter als 12, hängt Poulsen seine Gitarre um, während er dabei weiter musiziert. Schöne Geste!

Dann ist endgültig Schluss. Ein rauschendes Finale nach einem atemlosen Programm, mit einer gelungenen Songmischung aus Alt und Neu, aus hart und weich, dabei immer melodiös durchdrungen, Volbeat-typisch halt. Ein wahrlich brillanter Konzert-Abend geht zu Ende, an dem auch Airbourne einen großen Anteil hatten. Und wir machen uns zufrieden auf den Heimweg, hinaus in die regnerische Frankfurter Nacht. Shirt des Tages: Saxon, live in Castle Donington 1980. Da kann man nur noch respektvoll hinzufügen: and the bands played on. (bw)