Episches Feuer mit orientalischem Flair: wir besuchen das Holo-Deck mit Epica, Vuur und Myrath

29.11.2017 Backstage München
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Wenn es draußen kalt wird, sollte man für Wärme sorgen: und die kommt dieser Tage mit einem hitzigen Paket, das graziöse Tänze, proggige Töne und orchestrale Attacke zauberhaft vereint. Und dass die holde Weiblichkeit auch nicht schadet, müssen wir nicht näher ausführen. Wenn also Epica, Vuur und Myrath in unserer Stadt sind, machen wir doch gerne mit.

Das nennt man mal Prinzipientreue: nach „The Holographic Principle“ legen die holländischen Bombast-Meister um Simone Simons doch gleich mit der EP „The Solace System“ nach und tingeln damit durch die Lande. Im Gepäck haben sie dabei mehr als spannenden Support, der nicht nur uns bestens bekannt ist. Dennoch tummeln sich an diesem durchaus erfrischenden Mittwoch erst einmal weniger Schlachtenbummler im Backstage, aber das ficht uns nicht. Schließlich steht uns ein weiterer Ausflug in 1001 Nacht bevor: unsere alten Freunde von Myrath stehen auf dem Programm, das Schlag 19.30 in die erste Runde geht.

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Getaucht in roten Rauch, räkelt sich da jenes Wesen auf der Bühne, das wir auch schon bei den letzten Ansetzungen bestaunen durften: jawohl, die wunderhafte Kahina Spirit begleitet die Tunesier wieder mit fescher Glöckchenklamotte, Pluderhose und vor allem elegantem Hüftschwung, den sie zum Intro „Jasmin“ bestens in Szene setzt. Dann aber verschwindet sie flugs, und die Herrschaften um Fronter Zaher Zorgati – elegant in lustigem Samt-Wams gibt er wieder den einzig wahren Bylent Ceylan-Imitator – steigen mit „Believer“ forsch ein. Die bewährte Mischung aus melodischem Rock mit zu keiner Zeit aufdringlichen orientalischen Einsprengseln und virtuosen Soli zündet auch heute sofort – gerne denken wir dabei an den letzten Auftritt im Club zurück, bei dem wir das Ganze in wohlige Vertrautheit erleben konnten. Weiter im Text geht es mit „Get Your Freedom Back“, zu dem wir feststellen, dass sich die Kollegen in Sachen stageacting und Professionalität nochmals einen deutlichen Zacken weiterentwickelt haben. Herr Zorgati macht uns bisweilen einen astreinen Ronnie James Dio, während die Instrumentalfraktion wie gewohnt brilliert. In gut gelauntem Deutsch redet er uns jetzt an, „this next song is for you mein Freund“: nach „Storm of Lies“ darf Kahina zu „Merciless Times“ wieder hervortreten und ihre optische Inszenierung des Songs darbieten. „Sogar eine Vorgruppe darf das schon!“, kommentiert Sachwalter Sebbes das nun folgende Mitsingspiel, das allerdings durchaus goutiert wird, bevor dann „Beyond The Stars“ das Set abschließt. 30 Minuten, die wie im Teppichfluge vergehen – wie immer bei dieser Kombo.

Wir schauen uns in der Zwischenzeit ein wenig um, das Publikum entspricht der heutigen female fronted-Ausrchtung, mit deutlich mehr Normalo- und Frauen-Anteil als bei reinrassigen Metal-Ansetzungen – wobei wir einige Bekannte auch persönlich begrüßen dürfen. Es dauert nicht lange, da entern die nächsten Attraktionen die Bühne, und das sind erst einmal ein paar finster dräuende junge Herren, die ein ordentliches Riff-Stakkato entfesseln. Aber natürlich geht es hier in erster Linie um die Dame, die nun ebenfalls zu uns spaziert: die umtriebige Anneke van Giersbergen hat mit Vuur ein neues Projekt am Start, das sich zu großen Teilen aus ihrem vorigen Spielfeld The Gentle Storm rekrutiert. Gleich die erste Nummer „Sail Away“ (nicht das aus der Bier-Werbung der 90er, nein) zeit die Marschrichtung an: durchaus proggige Töne kredenzt sie uns hier, mit Melodien, die zwar ausgefeilt sind, aber nicht gleich beim ersten Durchlauf zünden. „Das muss man sich ein paar Mal anhören!“, erläutert Musikologe Sebbes dankenswerterweise. Einstweilen hängt sich die liebe Anneke, die in flotter Lederhose und hohen Absätzen agiert, selbst die Sportgitarre um und mischt beim deutlich eingängigeren „My Champion“ kräftig am Instrument mit. Gesanglich kann man natürlich auch heute keinen Fehl und Tadel finden, die sympathische Dame animiert das Publikum gekonnt und parliert ebenfalls auf Deutsch („Hallo, wie geht’s Euch?“) – kaum winke ich ihr zu, wirft sie mir schon per Geste ein Herzchen zurück. Das ist Kundenorientierung, meine Herren! Natürlich darf auch die jüngere Historie nicht fehlen, mit der Gentle Storm-Nummer „The Storm“ denn auch zu Ehren kommt. Anneke stellt nun fest, dass sie gern hier sei, entdeckt aber einen Missetäter: „This guy is yawning! Now I feel insecure!“ Glauben wir Dir nicht, zumal wir nun einen kleinen Sprachkurs absolvieren und die richtige Aussprache des Bandnamens erlernen (wwwuurrrr), der in den niedrigen Landen so viel heißt wie Feuer. Bei „Days Go By“ schnappt sich die Dame dann ihren Schlaufernsprecher und hält einige Szenen fest, was wir demnächst wohl auf den einschlägigen sozialen Medien finden dürften. Dass sie im Februar wiederkommen nach München, genauer gesagt am 20.02.2018, das notieren wir doch gerne und freuen uns an „Your Glorious Light Will Shine“, bevor dann mit „Strange Machines“ auch noch die ruhmreiche Gathering-Zeit zu Ehren kommt, was von den Angereisten mit zunehmender Begeisterung quittiert wird. Nach der ganzen Sause erspähen wir die gute Anneke doch tatsächlich noch am Leibchen-Verkaufs-Stand und wechseln einige Worte mit ihr – dass wir sie vor Jahren schon einmal interviewt haben, daran hat sie keine Erinnerung mehr. Wir nehmen es mal nicht übel, sondern halten die Gelegenheit im Bilde fest. Nur damit wir es nicht vergessen.

Jetzt wird dann doch größer umgebaut, einige massive Lichtelemente auf der Bühne erscheinen, links oben kommt ein bewegliches Keyboard zum Vorschein, und die fleißigen Helfer platzieren einen eigentümlich geschwungenen Mikroständer: kein Zweifel, die Mannen um Simone Simons sind im Hause. Nach einem blau beleuchteten Intro (wer‘s genau wissen will: „Eidola“) steigen Epica mit „Edge Of The Blade“ denn auch gleich standesgemäß ein, die Stimmung schnellt augenblicklich bis unter die Decke, was die Kombo sichtlich genießt. Simone hat ihr Streifenhörnchenkleid heute gegen eine schwarze Schnallen-Nummer ausgetauscht, die aber immer wieder mal Probleme macht und fixiert werden muss. Bei „Sensorium“ schaltet die Holde den roten Haar-Rotor ein, Gitarrero Mark Jansen übernimmt wie gewohnt die Grunzdienste, und der bombastische Sound steht wie bei Epica stets der Fall wie eine symphonische Wand. In geschliffenem Deutsch wendet sich Simone nun an uns, erkundigt sich nach unserem werten Befinden und lobt uns ob unserer Freundlichkeit. Mit „Wheel Of Destiny“ kommt nun eine harte, schnell nach vorn gehende Nummer der aktuellen EP zu Ehren – man weicht von der bisherigen Setlist in einigen Punkten ab, was nur für die Variationsfreude der Kollegen spricht. Nach dem wunderbaren „The Essence Of Silence“, das begeistert abgefeiert wird, feuern sie das donnernde „Unleashed“ heraus, worauf sich dann der Höhepunkt des Geschehens anschließt: lang, episch, getragen, komplex und massiv kommt „The Holographic Principle“ daher, zu dem Keyboarder Coen Janssen wild auf seinem Podest umherfährt und sein Instrument um die eigene Achse dreht. „Ich glaube, dieses Lied hat Euch gefallen!“, erkennt Simone die Sachlage vollkommen korrekt – aber nun kündigt sie einen special guest an. Und schon spaziert uns die liebe Anneke wieder entgegen, mit neuem Beinkleid, aber identischen Stiefeletten wie ihre Kollegin – offenbar war man kürzlich gemeinsam bei Deichmann in Amsterdam. Die beiden Damen harmonieren wunderbar, wie schon Anneke und Sharon den Adel bei „Somewhere“ auf der „Black Symphony“-DVD von Within Temptation (wobei Anneke da eine neckische kurze Hose vorführt).

Zu „Victims Of Contingency“ schnappt sich Herr Janssen nun sein Umhänge-Keyboard (was im Gegensatz zu sämtlichen 80er-Poppern hier nicht peinlich aussieht), kommt an den Bühnenrand und fordert einen Moshpit – den er prompt auch in Form eines ordentlichen Gerammels bekommt, was zur massiven Headbang-Attacke des Songs passt.  "Unchain Utopia“ läuft prima rein, bevor uns Simone wieder hochleben lässt: „Wollt Ihr mehr hören? Danke, ihr seid unglaublich lieb!“ Beim nächsten Song bittet sie uns nun unsere „Taschenlichter“ hervorzuholen – wo früher Feuerzeuge brannten, leuchten nun Handy-Displays, aber der Effekt ist ebenso malerisch (und die Feuerzeuge gehören ohnehin eher zu Pur als hierher) und inszeniert das melancholische „Once Upon A Nightmare“ absolut trefflich. So beschließen sie das reguläre Set, kommen aber natürlich noch einmal zurück und legen nach einem kleinen „We will rock you“-Einsprengsel mit „Sancta Terra“ nach. Jetzt will es Tastenmeister Janssen dann aber wirklich wissen: nachdem er uns kurz zuvor geschimpft hatte, dass wir „one lousy moshpit“ zustande gebracht hätten, macht er vor, wie es geht und lässt sich samt Keyboard mal schlank als Crowdsurfer über die Menge reichen. Respekt für diese Einlage, die die Security doch etwas ins Schwitzen bringt – und bei Simone für einen Lachanfall sorgt, den sie uns erklärt: „Wir sind schon lange auf Tour, und wenn da Coens Hemd aufgeht, muss ich so lachen, dass ich mir in die Hose mache…“, was Modezar Sebbes anzweifelt, nachdem die Holde ja gar keine Hose, sondern eine Schnalzklamotte trägt. Sei’s drum, nach diesen Exzessen hüpfen wir ordentlich zum Mitsing-Fest „Beyond The Matrix“ und bestaunen noch die Wall Of Death, die zu „Consign To Oblivion“ angezettelt wird, bevor wir das Feld räumen. Solche Pakete nehmen wir gerne zur Winterzeit, das wärmt gut durch – und Simone hat immerhin doch noch die Contenance gewahrt. Wir kommen gerne wieder – dann mit feuerfesten Hosen.