Sing beim Abschied leise schwarzbraun: wir sagen Tschüss zu Heino

2.3.2019
Backstage München

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Auf der Bühne steht rechts ein glitzernder Totenkopf. Eine Big Band Besetzung stößt in die Blasinstrumente. Eine Backing-Gesangs-Kombo swingt rechts. Und in der Mitte ein ewiger Blondschopf mit dunkler Brille und rotem Sakko. Ja, er hat‘s nochmal gemacht für uns – und wir glauben: es war wirklich der Abschied.

Nach den Geniestreichen „Mit freundlichen Grüßen“ (Rocksongs auf Volksmusik) und „Schwarz blüht der Enzian“ (Volksmusik auf Rock), die den guten Heinz Georg Kramm von seiner Rolle irgendwo zwischen Witzfigur und Spottobjekt direkt in den Kult katapultierten (zu den kulturhistorischen Implikationen dieser bemerkenswerten Verwandlung referierten wir ausführlich anlässlich des letzten München-Gastspiels), legte der generationsübergreifend notorische Blondschopf mit „…und Tschüss!“ erneut eine Übung in genreübergreifender Stilvermengung vor: erneut verleiht er da massentauglichen Songs wie „Da da da“, „Sternenhimmel“, „Das Model“, „Tage wie diese“ und anderen deutschen Pop- und Rock-Hits seinen markanten Bariton, was irgendwie in der Schnittmenge zwischen Parodie und Spiel mit dem Klischee wieder bestens funktioniert. Besonders bemerkenswert allerdings der Zusatz im Titel: „Das letzte Album“ scheint es zu sein, und irgendwie lächelt er in der Zeichnung fast erleichtert.

Allzu verständlich: immerhin hat er 80 Jahre mit sich herumzutragen, steht seit 60 Jahren professionell auf der Bühne – da gönnen wir ihm doch gerne diese Ehrenrunde durch die Konzerthallen der Republik, die er noch vor einigen Jahren, vor seiner genialen Image-Runderneuerung, weder ansatzweise gefüllt geschweige denn überhaupt von innen gesehen hätte. Wir pilgern also natürlich wieder zum Austragungsort im Backstage Werk, wo sich der Andenkenstand eher überschaubar darstellt: da liegt ein nicht unbedingt gelungenes Leibchen in Andy-Warhol-Manier, das uns nicht überzeugt, und auch die signierten Autobiographien und Autogramme lassen wir heute mal wo sie sind. Schlag Acht marschiert die Kombo dann auch schon auf die Bühne, der mitstreitende und –singende eher unbekannte Bruder von Xavier Naidoo besorgt das Entree und kündigt den „unvergleichlichen“ Heino an, der dann zuverlässig dunkel bebrillt, blond behaart (die Frage, ob diese Pracht echt ist, stellt ein anständiger Zuschauer nicht) und schwarz bemäntelt (komplett mit Glitzer-„H“ auf dem Rücken) hervorschreitet. Den Auftakt macht der auf allen Volksfesten der Welt totgenudelte Hosen-Reißer „Tage wie diese“, den er sehr ordentlich absolviert. Hübscher Beginn, der dann allerdings mit „Teure Heimat“ und dem „Rübezahllied“ direkt in die Schlager/Volkstümliche Ecke abbiegt. Nun denn. Der gute Herr Kramm begrüßt uns nun erst einmal wie eine „große Familie“, über deren Kommen er sich wohl ehrlich freut, und auch die Stimmung im Publikum erweist sich als bestens – permanente „Heino“-Sprechchöre wogen durch die Menge, in der sich kaum eine blonde Perücke verirrt hat. Trotz Fasching nimmt das hier also nicht als Spaß, sondern will dem Barden wirklich frönen – das geht nun wieder mit der „Rosamunde“, die immerhin einen Basslauf verpasst bekommt, der direkt von den White Stripes entlehnt sein könnte. Der Mann auf der Bühne referiert nun weiter sympathisch und glaubhaft als Reaktion auf die frenetische Abfeierei: „Jede Generation hat ihre eigenen Hits – und deshalb ich bin froh, dass ich das hier noch erleben darf!“ Stichwort Generation: wir warten allerdings immer noch auf die Stückchen, die wir eigentlich doch viel lieber hören wollen, und die kommen jetzt in Form von „Junge“ endlich an die Reihe. Diese wunderbare Aneignung eines Stücks, das genau die biedere Bürgerlichkeit anprangert, für die er selbst lange stand, gehört

zu den Geniestreichen seiner neuen Karriere und funktioniert auch heute wieder wunderbar. „Das ist ja schlimmer als am Rosenmontag in Köln!“, quittiert er die Jubelstürme, bevor er uns dann seine nähere Verwandtschaft vorstellt – genauer gesagt seinen Enkel Sebastian („Basti“-Sprechchöre, klar), der ein paar Semester Medizin studiert hat und nun feststellt, dass er wie der Opa doch eigentlich viel lieber Musik machen will. Das tut er nun auch und bringt uns alleine auf der Bühne den „Jungen mit der Gitarre“ – der Song, auch zu finden auf dem letzten Album, schrammt allerdings irgendwo im weitgehend nichtssagenden, jammernden Deutschpop umher, den es leider zu Hauf im Radio gibt, das wir deswegen ja nicht zur Kenntnis nehmen. Da notieren wir doch lieber, dass nun das Lieblingslied von Heino und seiner einzigen ewigen Hannelore folgt: der alte Hochzeits/Geburtstag/sentimentaler Film-Heuler „Halleluja“ von Leonard Cohen eignet sich gut für den Heino-Makeover, als Roggenroll geht anders, der Herr! Da geht die Geröllheimer-Nummer „Was soll das?“ schon eher in die richtige Richtung, worauf sich dann das rockige Highlight des Abends anschließt: „Augen Auf!“ (ihr wisst schon: Eckstein, alles muss versteckt sein) knallt so ordentlich, dass mein mitgereister Schlachtenbummler amüsiert feststellt, dass ich es vor 10 Jahren auch kaum für möglich gehalten haben dürfte, bei Heino kurz und gepflegt auszurasten. Stimmt – auch wenn er sich bei den Rock-Nummern immer wieder mal bei seinem Backing-Chor in Sachen Einsatz und Timing rückversichert. Auch „La Paloma“ (der andere große Blonde der deutschen Kulturhistorie lässt grüßen!) kommt mit schmackiger Gitarreninszenierung sehr in Ordnung, was man vom Seemann, der das träumen lassen soll, eher weniger sagen kann.

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Nun stimmt er eine kleine Lobrede auf seine Angetraute an, die ihn nach eigenen Worten auch nach 38 gemeinsamen Jahren immer noch willenlos macht – wie die Frau Mayer (mit y) aus dem gleichnamigen Song des deutschen Möchtegern-Dylan namens Westernhagen, der nun folgt. Das alte Kraftwerk-Opus „Das Model“ (ja, es waren Pioniere der elektronischen Musik, und nein, man kann das Zeug weitgehend nicht anhören) läuft ordentlich über die Bühne, wie auch die Gesangs-Backing-Fraktion dazu einen stilisierten catwalk mimt. Wieder ein wenig angerockt kommt dann die „Katja“ daher, die bekanntlich ja nur eines im Sinn hat (was denn wohl?), im Verlauf aber immer mehr klingt wie der zwar selige, aber nach wie vor absolut unkühle Udo Jürgens – und leider markiert die schwarzbraune Haselnuss in einer fürchterlichen swing-Version dieses Mal den Tiefpunkt des Events. Das war nix, der Herr! Mit dem neuen „Wilde Rosen“ schlägt man weiter in die Schlagerkerbe, die auch das ebenfalls aktuelle „Bilder im Kopf (Angie)“ bedient. Jetzt leitet der Impresario endgültig auf die Zielgerade: der schwarze Mantel fliegt raus, dafür wirft er sich sein stilprägendes rotes Sakko aus ungezählten Hitparaden-Auftritten über und pirscht sich mit der Hippie-Hymne „Tampico“ ran, das in Medley inklusive dem unzerrüttbaren „Blau blüht der Enzian“ (leider nicht schwarz) übergeht. „Ihr wart ein tolles Publikum!“, versichert er uns nun – ja, auf der Uhr stehen fast 90 Minuten, die er ohne große Pause absolviert hat.

Mit dem alten Schlachtross von Oberwarzenschwein Peter (das er ja selbst nur „geborgt“ hatte) verneigt sich der Grandsigneur der deutschen Unterhaltungsmusik mit „Über 7 Brücken musst Du gehen“ dann endgültig – das ist wieder gut gebracht und begeistert. Natürlich lassen wir ihn so nicht gehen: einmal rufen wir ihn noch hervor, und er intoniert nochmal „Ein Kompliment“ für uns, das im Original von den Lokalmatadoren Sportfreunde Stiller ungenießbar, in seiner Fassung fulminant kommt. Und dann ist er weg. Einfach so. Von der Bühne ganz bestimmt, denn das glauben wir einmal, dass er im Gegensatz zu manch anderer Kombo wirklich Schluss macht. Ob er in Funk und Fernsehen weiterwerkelt, werden wir sehen – und auch wenn es letztes Mal deutlich rockiger und somit amüsanter war, bedanken wir uns artig für diese Aufwartung und sagen Tschüss. Eine Ikone wird er bleiben.