Besinnliche Weisen und Yankee Doodle: das Q4-Tasting

Weihnachtszeit – Zeit für stille Einkehr und geruhsames Beisammensein. Und natürlich auch die beste Zeit, sich im Kreise der Lieben ein schönes Tröpfchen zu gönnen und dazu festlicher Musik zu lauschen. Das tat selbstverständlich auch die traditionsbewusste Q-Gruppe – auf ihre ganz eigene Art und Weise, versteht sich.

Ist denn schon Weihnachten?

Ist denn schon Weihnachten?

Die Anreise gestaltete sich bei dieser Ansetzung durchaus einfacher, war der Wanderpokal der Ausrichtung dieses Mal doch etwas mehr in die Mitte der Zivilisation gerückt und der Weg nicht über Schmachtenberg Rock City, sondern über die Hauptbahnhöfe Süddeutschlands führte, wo sich die ersten Abgesandten schon zusammenfanden und in Formation der Schottland-Reisegruppe am Ort des Geschehens anlangt. In voller Mannstärke gilt es alsbald die Versuchsanordnung zu bestaunen, die – wie stets angereichert durch Schätze aus dem Fundus des umtriebigen Kuhns Whisky-Genuss – erneut Vertreter der verschiedensten Geschmacksrichtungen aufweist, vom milden Einsteiger bis hin zum vollmundigen Spezialisten.

Das vom Gastgeber gereichte Informationsblatt (inkl. Abkürzungsverzeichnis) wird selbstverständlich einer kritischen Prüfung unterzogen, und nach Herausdeuten der krassesten Fehlleistungen (dass der Edradour 10 Jahre aus der Signatory Vintage Reihe tatsächlich im Jahre 005 gebrannt wurde und damit 2011 Jahre zählt, das bezweifeln wir leise) schreiten wir zur Auswahl der Weihnachtsausgabe unseres Q-Tastings.

Den Startpunkt liefert dabei der Dalwhinnie 15, der allenthalben zu gefallen vermag und sich dem Vernehmen nach bestens als Einsteigerwhisky auch für Neulinge des Metiers eignet. „Der kann alles!“, rufen einzelne Teilnehmer entzückt, und in der Tat schmeichelt der Kollege mit einem feinen, unaufdringlichen Geruch nach Heidekraut schon im ersten Eindruck. Dass der Dalwhinnie bei seinem exzellenten Preis-/Leistungsverhältnis nicht die ganz hohen Qualitätsansprüche erfüllt (F/K lesen wir im Beipackzettel, also gefärbt und kühl gefiltert), fällt bei dem sehr fruchtigen, süßen Geschmack mit Vanille und Honig nicht ins Gewicht. Sehr süffig, in keinster Weise alkoholisch schmeckend und mit langem Abgang, bleibt der Dalwhinnie (immerhin einer der meistverkauften Classic Malts of Scotland) für nicht wenige Tester heute einer der besten Tropfen.

Zur jahreszeit- und zumindest weitgehend regionsgerechten Untermalung durch „Fairytale of New York“ oder „Thousands Are Sailing“ von den Pogues wird es jetzt noch eine Spur gediegener: der Jura Diurachs‘ Own 16 wartet mit einer akribischen Geschmacksbeschreibung auf, die die jeweilige Variante in einer hübschen Rosette verortet (was allenthalben sachfremd zur Erheiterung beiträgt). Kenntnisreich referiert der Mitbringer und damit Präsentator, dass Jura lange Zeit als kleiner Nachbar der mächtigen Whisky-Insel Islay eine Art Stiefkind gewesen sei und nach diversen Ausgaben ohne Altersangabe jetzt auf dem Pfad der Tugend wandelt (wenn auch hier gefärbt und kühl gefiltert wird). Der Diurach’s Own (gälisch für „people of Jura“, also quasi der Jura für Juraer und Juralinnen) nähert sich mit einer berückenden Geruchsnote mit viel Honig und Sherry-Tönen. Der Geschmack gibt sich dann samtweich, sehr schokoladig, die Rohrzucker-Elemente vermag der eine oder andere auch zu erspähen, und die Nachreifung in Oloroso-Sherryfässern zaubert einen angenehm süßen Abgang, der sich lange hält. Auch wenn wir einhellig feststellen, dass eine Spur mehr Volumenprozente (hier haben wir es mit 40% zu tun) dem Ganzen noch etwas mehr Nachdruck verleihen würden, sind wir durchaus einverstanden.

Richtig spannend gestaltet sich dann der Mortlach 20 aus der Serie des unabhängigen Abfüllers Signatory Vintage (der erste nicht kühl gefilterte heute). Angesichts des doch beträchtlichen Alters noch vergleichsweise günstig zu haben, steht dieser Vertreter der Speyside (dem wir auf unserer Getränkereise leider nur einen Kurzbesuch abstatten konnten) für seine Jahre sehr hell im Glas – ein Eindruck, den man dankenswerterweise nicht durch irgendwelche Färbungen beeinflussen möchte. Der Geruch entfaltet sich mit Honigakzenten, die allerding bald von Anklängen an Zitrusfrüchte überlagert werden. Geschmacklich bietet der Mortlach ein komplexes Erlebnis aus frischer Zitrone und Bananen, was die Runde einhellig als sehr eigene, aber faszinierende Note identifiziert. Sehr harmonisch und rund im Abgang, der vor allem Eichenholz-Noten ins Spiel bringt, regt der Mortlach zu ausschweifenden Reflektionen an.

Nach der Essenspause, in der wieder garantiert vegane Wurstwaren aus der hauseigenen Herstellung der international renommierten Manufaktur WSG (Kenner sprechen auch von der Wurstsportgruppe) sowie die wahlweise im Limonadenfass nachgereifte Bier-Hausmarke gereicht werden, steht uns eine Premiere bevor. Erstmals in der bewegten Historie der Q-Gruppe wagen wir uns über den großen Teich und schauen ins Land der Bourbon- und Rye-Whiske(!)ys. Musikalisch passend untermalt (wir wählen nicht den „American Pie“, wo die good old boys bekanntlich eben diese Getränke zu sich nehmen, sondern lieber dem Anlass angemessen die geruhsamen Klänge des neuesten Metallica-Werkes „Hardwired to Self-Destruct“), betrachten wir gespannt die beiden Vertreter dieser für uns neuen Spezies, beide aus dem Hause Woodford. Der Präsentator bringt uns nahe, dass ein Bourbon-Whiskey aus den USA zu stammen hat und zu mindestens 51% aus Mais gebrannt sein muss, der Rest besteht aus Roggen oder Gersten-Brand. Bei der Rye-Variante hingegen müssen – wie der Name schon sagt, das kennen wir ja aus dem Catcher in eben jenem – mindestens 51% aus Roggen hergestellt sein. Wie bei den schottischen Malts gibt es auch in Übersee weitere Mindestvorgaben, die zum Führen des Qualitätsnamens erst berechtigen – ein echter Bourbon oder Rye muss mindestens zwei Jahre in jungfräulichen Weißeiche-Fässern lagern, die sorgsam angekohlt und geriffelt werden, um Geschmack und Farbe zu gewährleisten (und die nach ihrem first fill nach Schottland verkauft werden, da nach US-Standards stets neue Fässer zu verwenden sind). Ab einer Mindestreifung von zwei Jahren darf sich das Ganze dann (sofern keinerlei Zusätze verwendet werden) Straight nennen, und wenn der Brand auch noch in Kentucky hergestellt und von der Reifedauer mindestens ein Jahr dort absolviert wird, haben wir einen Kentucky Straight vor uns.

Von genau dieser Ausführung nehmen wir uns jetzt zwei Vertreter vor, zuerst den Woodford Reserve Distiller’s Select Kentucky Straight Bourbon (noch genauer brauchen wir's nicht), der als einer der ganz wenigen Kentucky-Kollegen auch in Pot Stills gebrannt wird. Wir betreten neugierig das Neuland und notieren zunächst eine sehr schöne Flasche (das Auge trinkt mit), eine für das zarte Alter überraschend kräftige Farbe und einen durchaus ausgeprägten Vanille-Geruch (Eichenfässer ahoi!). Im Geschmack kommt das Ganze deutlich milder als erwartet daher, mit viel Karamell und Getreidenoten, die der eine oder andere doch eher als scharf und etwas alkoholisch notiert, die uns der Präsentator aber überzeugend als „Genauso, wie wenn man aus einem Sandsturm in eine Westernkneipe kommt!“ darlegt. Das geschieht im nordbayrischen Grenzgebiet ja durchaus häufiger, weswegen wir uns nun gerne auch den Woodford Reserve Kentucky Straight Rye ansehen, der mit 53% Roggenanteil die Definitionsgrenze locker nimmt. Wieder gesegnet mit starker Farbe (die Sache mit dem Verkohlen der Fässer klappt wirklich), kommt uns der Rye deutlich pfeffriger daher und bringt nach einem etwas holzigen Geruch durchaus milde Geschmacksnoten von Marzipan und Malz. Die leichte Trockenheit bezeichnen wir gut gelaunt als „schnalzige Zunge“, konstatieren aber abschließend, dass wir die befürchteten Klebstoff-Aromen nicht vermelden müssen und dieser Abstecher in die USA durchaus aufschlussreich war (auch wenn uns die nächste Getränkereise sicherlich wieder nach Schottland führen wird).

Jetzt allerding harrt ein Highlight des Abends: wo der Ardmore Legacy noch viele Wünsche offen ließ, überzeugt uns der Ardmore Tradition trotz Färbung und fehlender Altersangabe auf ganzer Linie. In neuer Aufmachung soll diese NAS-Ausgabe den traditional cask ersetzen und wartet mit einem süßen, vollen Geruch nach Räucherspeck (somit Christkindlmarkt-tauglich) und Eiche auf. Im Geschmack entfaltet sich dann die ganze Qualität dieses Tropfens, der mit starken Vanille-Noten und einem Hauch von weißer Schokolade vollmundig zu gefallen weiß. Im Abgang sehr lange und erdig, hält sich der Ardmore in bester Erinnerung bei allen Verkostern, die neben dem hervorragenden Preis-/Leistungsniveau auch einen überraschend komplexen Charakter konstatieren, der zum einen oder anderen Zweitschluck animiert.

Als kleine Zugaben dürfen wir dann noch aus Spezialitäten wie den Bunnahabhain 8 des unabhängigen Abfüllers Gordon & MacPhail (wunderbar süßer Rauch, sehr starke Anklänge an Räucherspeck, Geschmack nach Milchschokolade und Früchten) probieren oder wahlweise auch wieder einmal der hiesigen Whisky-Produktion Beachtung schenken. Denn mit dem Ayrer’s Red 58 American Oak  haben wir noch einen waschechten Lokalmatadoren an Bord: dieser Single Malt stammt aus dem Frankenland, genauer gesagt aus Nürnberg, wo die Hausbrauerei Altstadthof aus ökologischem Spezialmalz nicht nur Bier, sondern eben auch diverse Single Malts herstellt. Der Ayrer’s Red basiert auf dem fränkischen Spezialmalz, das auch für die rötliche Farbe des Nürnberger Rotbiers verantwortlich zeichnet. Der Brand lagert mindestens drei Jahre in amerikanischer Weißeiche und wird, ungefärbt und nicht kühl gefiltert, sorgsam als limitierte Single Cask Editionen abgefüllt. Somit haben wir also in keinster Weise einen in Bierfässern gereiften Whisky oder etwa gar ein Craft Bier aus Whisky-Fässern (gibt es alles auch!) vor uns, sondern eine ganze eigene Variante, die nicht nur aus der Frankenmetropole kommt, sondern auch so schmeckt: süß wie Lebkuchen kommt dieser deutsche Vertreter daher, samtig und rund, und hält die Fahne der hiesigen Brennerei-Kunst mehr als überzeugend hoch.

Musikalisch sind wir mittlerweile bei den landauf, landab bekannten Sailor (in falscher Schreibung auch als Slayer populär) angekommen, aber die Tore des Tastings schließen sich allmählich für uns. Immerhin ist es schon ein wenig spät, wir sind nicht mehr die Jüngsten und müssen darauf achten, genügend Schlaf zu bekommen. Weshalb sich die Gruppe geschlossen verabschiedet und sich alle gesittet zurückziehen. Aber vor allem müssen wir hier ja auch nicht immer die ganze Wahrheit sagen.