Im goldenen Dreieck auf der grünen Insel: wir besuchen die wahre Quelle des Lebenswassers. Teil 2: Renaissance und geistliche Brände

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„Whiskey wurde hier in Irland erfunden. Die Schotten sagen ja immer gerne, das wäre ihr Verdienst, immerhin gäbe es dort viel mehr Sorten. Dazu sagen wir nur: sie probieren es halt noch aus.“ Dieser launigen Anekdote mussten wir doch einmal auf den Grund gehen – und suchten in Dublin nach den Ursprüngen unseres Lieblingsgetränks. Wurden wir fündig? Of course - vor allem in Teil 2 unseres Reiseberichts!


Unser Weg führt uns jetzt nämlich zur Teeling Distillery, einer der wenigen aktiven Brennereien in Dublin (Jameson verlagerte die Produktion schon vor Jahren, hier vor Ort ist nur noch eine kleine Show für unkritische Touristen zu sehen), wo uns launig Mr. Teeling selbst empfängt und auf unnachahmliche Weise in die Geschichte des irischen Whiskeys einführt (so kann sogar ich mir das merken: „remember, Whiskey from Ireland has an e in it!“). Um das Jahr 1870 avancierte Irland zur Whiskey-Heimstatt der Welt, 60% aller Produktion stammte von der grünen Insel und wurde in aller Herren Länder exportiert (das sich der Name von uisge beatha, Wasser des Lebens, ableitet, wussten wir, aber lustigerweise steht das hier sogar auf den zweisprachigen Kanaldeckeln). Weniger bekannt war uns, dass alleine in Dublin sage und schreibe 37 Brennereien und Brauereien ansässig waren und in dem „Liberties“ genannten Stadtviertel das legendäre „Golden Triangle“ der irischen Whiskey-Produktion beheimatet war: auf kleinstem Raum lieferten sich die Hauptakteure George Roe & Sons, Powers und Jameson ein Rennen um die größtmögliche Popularität. Dieses „Goldene Zeitalter“ des irischen Whiskeys endete durch Krieg, Prohibition im zentralen Exportmarkt USA und andere Kalamitäten, so dass 1976 schließlich die letzte Brennerei in Dublin ihre Pforten schloss. 2012 beschlossen Jack und Stephen Teeling, die alte Tradition wieder aufzunehmen: ermutigt vom weltweiten Boom in der Nachfrage nach uisge beatha, hoben sie die erste neue Brennerei in Dublin seit 125 Jahren aus der Taufe. Papa John Teeling war schon seit 1987 im Geschäft: in Riverstown auf der Halbinsel Cooley fabrizierte er unter eben diesem Namen schon durchaus erfolgreich und übernahm später unter anderem auch die alte Kilbeggan-Brennerei.

Die Cooley-Destille avancierte zum Objekt der Begierde in der Branche und ging 2011 an Jim Beam, wobei der kluge Herr Teeling sich die Rechte an einem beträchtlichen Fassbestand sicherte, so dass man durchaus auch ältere Teeling-Abfüllungen findet (die wir später auch probieren werden). 2012 war die Bahn also frei für die Neugründung inmitten der Stadt unter dem eigenen Familienlabel. Mittlerweile zählt man immerhin wieder 21 Brennereien in Irland, die Branche wächst mit 10% pro Jahr – steht zu hoffen, dass sich das boom-bust-Schicksal des celtic tiger hier nicht wiederholt, was leider angesichts einiger Auswüchse wie etwa dem Hobbiton, das Macallan in Schottland erbaut hat, durchaus wahrscheinlich scheint. Heute konzentrieren wir uns auf die Ausführungen unseres Führers Adam, der uns zunächst einmal das Teeling-Logo erklärt: einen Phoenix sehen wir da, der nicht aus der Asche, sondern aus den pot stills aufsteigt – symbolisch für die Renaissance, die der irische Whiskey derzeit erlebt. Die Wanderung durch die Produktionshalle kann dann die Modernität der Operation nicht verbergen: blitzsauber hält man alles hier, vollautomatisiert scheint man unterwegs (außer unserer kleinen Besuchsgruppe ist niemand zu erspähen) – wer den Museums-Charme von Springbank oder die Knorrigkeit eines warehouses auf Islay sucht, der ist hier fehl am Platze. Interessant aber allemal: die mash tuns bestehen ganz traditionell aus Pinien-Holz, und die drei Stills (in Irland brennt man ausnahmslos dreifach, was in Schottland eher die Ausnahme ist, dort anzutreffen etwa bei Auchentoshan) hören auf die Namen der drei Töchter von Jack Teeling. Die Spirit Still Rebecca fasst 9.000 Liter, als intermediate still ist Natalie verantwortlich für 10.000 Liter, und Alison bringt als wash still 15.000 Liter auf die Waage. Alison bringt das Gebräu, das mit 8% aus den mash tuns kommt, erst einmal auf 25%; diese low wines verwandelt Natalie dann zu den faints mit 55%, die Rebecca dann auf new make-Stärke 80% hebt, die zu guter Letzt auf trinkbare 60% herabgewässert werden. Das kleine „Lagerhaus“, das wir zum Abschluss noch begutachten, will gar nicht den Schein erwecken, dass hier wirklich die Produktion ruht – das erledigt man lieber draußen auf dem Land nahe Belfast, wo man mehr Platz und günstigere Konditionen vorfindet.

Zur Reifung verwendet man im Hause Teeling zunächst ex-Bourbon-Fässer aus Kentucky und Tennessee, worauf sich dann finishes in verschiedensten Varianten – Rum, Cabernet Sauvignon aus Medoc, Burgunder, Ale und vieles andere – anschließen. Hierfür nimmt man sich hier in der Regel mindestens 6 Jahre Zeit, wobei auch in Irland die Mindestlagerdauer bei 3 Jahren liegt. Oder, um genauer zu sein: bei 3 Jahren und einem Tag – immerhin möchte man auch hier gegenüber den Schotten das letzte Wort haben: „the one day makes all the difference!“, versichert Adam uns augenzwinkernd. Somit darf man in naher Zukunft die ersten Ergebnisse der neueröffneten Destille präsentieren – und diese beiden Fässer sind denn auch die einzigen, die wirklich hier vor Ort lagern, eines davon gefüllt am 28. August 2016 und persönlich zugeeignet für Zoe, der jüngsten Teeling-Tochter. Für unsere eigene Erprobung, die nun ansteht, gehen wir dann aber ein wenig zurück in die Historie und optieren für das Single Malt Tasting, in dem man uns insgesamt vier Varianten kredenzt. Den Anfang macht sinnigerweise das Flaggschiff des Hauses: der Teeling Small Batch bietet einen blend aus 25% Gersten- und 75% Maisdestillat, der sechs Jahre in einem Bourbon-Fass verbracht und dann weitere acht Monate in einem Rum-Fass nachreifen konnte. Im Ergebnis liefert das einen sehr weichen, gefälligen, süßen Brand, der sich hervorragend auch für Whisk(e)y-Einsteiger anbietet. Etwas spannender kommt dagegen schon die Limited Edition des Teeling Revival Single Malt daher, mit deren Abfüllung man an die Wiederöffnung des Hauses erinnert. Die hier in Rede stehende fünfte und letzte Ausgabe bringt einen 12jährigen Single Malt, der nach 10 Jahren im Bourbon-Fass noch 2 Jahre in Cognacfässern nachreifte – mit gut verkraftbaren 46% entfaltet diese Edition das Flair von Sommerfrüchten und eine gehörige Nuss-Note. Der Teeling Single Malt bringt uns nun zwar keine Altersangabe, aber Adam verrät uns dennoch, was hier vor uns haben: eine „marriage“ nämlich, die es in sich hat. Größtenteils einen zehnjährigen Malt dürfen wir hier genießen, der 9 Jahre Bourbonfass und 1 Jahr verschiedenste Weine als Heimstatt hatte. Mit immerhin 10% fließt aber auch ein 23jähriger, sherry-gereifter Teeling hier mit ein, was zu einer sehr dunklen, tropischen, schokoladigen Note und einem langen, fruchtigen Abgang führt – durchaus komplex, facettenreich und fein.

Mit dem Teeling Seasonal Single Cask biegen wir schon auf die Zielgerade ein: dieser Vertreter bringt 10 Jahre Lagerung, ein Port-Finish und vor allem 60% cask strength auf die Waage. Mit dem obligatorischen Tropfen Wasser entfaltet dieser Kollege wunderbare Anklänge an Toffee, Gewürze und Rumtopf – überraschend süß angesichts der Stärke, konstatieren wir. Wir wandern noch ein wenig durch den Shop und erspähen noch eine Distillery Exclusive-Ausgabe, die wir natürlich mitnehmen. Immerhin braucht man ja auch etwas für die Daheimgebliebenen.

Für die bringen wir allerdings auch die sprichwörtlichen unglaublichen Geschichten mit. Denn als wir bei unserer nächsten und letzten Destination um die Ecke biegen, stellen wir fest, dass der Name Pearse Lyons at St. James durchaus wörtlich zu verstehen ist: die Brennerei des Herrn Lyons liegt nämlich nicht nur bei, sondern direkt in einer Kirche mitten im Herzen der Liberties und somit auch im Golden Triangle. Pearse Lyons steht dabei durchaus für das typische irische Schicksal der Auswanderung, das die Familie in die USA führte, wo man 1980 eine Brennerei gründete. Pearse selbst bezeichnet sein Destillat folgerichtigerweise als „a new Irish Whiskey with a Kentucky flair“: hier haben wir den eigentlich charakteristisch amerikanischen grain whiskey vor uns, der in zwei copper stills gebrannt und in Bourbon-Fässern gelagert wird. Aber wie kommt das Konstrukt denn nun ins Gotteshaus? Das kam so: die Kirche von St. James und ihr Umland fungierte über Jahrhunderte als einer der größten Friedhöfe Dublins. Über 100.000 Begräbnisse fanden hier offenbar statt, der Friedhof ist eine wahre Fundgrube für Archäologen, und auch die Kirche machte sich als Ausgangspunkt einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela einen Namen. 1960 allerdings begann die Kirche zu verfallen, ein Blitz schlug ein und zerstörte den Turm, worauf man die restlichen Räumlichkeiten für diverse Ladengeschäfte verfremdete. 2013 schließlich fasste sich Pearse Lyons ein Herz, kaufte das baufällige Gemäuer, ersetzte den Turm durch eine beeindruckende Glaskonstruktion – und baute seine Version einer neuen irischen Brennerei direkt ins Hauptgebäude, womit Pearse Lyons gemeinsam mit Teeling die Ehre gebührt, die einzigen aktiven Brennereien in Dublin zu sein.

Die Pot Stills lieferte man direkt aus den USA an – zum Einbau deckte man kurzerhand Teile des Kirchendachs ab. Im Kirchenschiff selbst stehen wir dann vor einer Brennerei, wie sie Mr Gulliver in Liliput nicht putziger hätte antreffen können: eine Miniatur mash tun, die aussieht wie ein rustikaler Badebottich, wird mit Hefe aus Serbien betrieben, die beiden pot stills stehen vor dem großen Kirchenfenster (in dem sich sinnigerweise nicht wenige Whiskey-Motive finden) und fügen sich doch irgendwie harmonisch ins Ambiente ein. Die launigen Erzählungen vom angels share nehmen hier ganz andere Bedeutung an, aber bevor wir hier noch anfangen zu sehr zu frömmeln, wenden wir uns der Versuchsanordnung an Pearse’s Bar zu, wo vier Whiskeys und ein Gin auf uns warten. Wir starten mit dem Pearse Original, der wie alle folgenden Beispiele mit 42% aufwartet. Diese Bestandteile dieses Blends lagerten drei bis fünf Jahre in gekohlten Ex-Bourbon-Fässern, wobei man noch einen Hauch Stout-Fässer hinzufügt. Mild und süß in der Nase, gibt sich das Original leicht und gefällig auf der Zunge, mit kleinen Anklängen an Vanille und Eiche. Wie schon der Teeling Small Batch ein rundes Einsteigergetränk, das allgemein gefallen sollte. Wir wenden uns nun der Pearse Distiller’s Choice zu, die der Versuchsleiter als „breakfast whiskey“ bezeichnet: einen Blend aus sieben grain- und malt-Varianten (darunter einen Single aus der aktuellen Produktion) haben wir hier vor uns, unter anderem ex-Bourbon, ex-Ale und ex-Oloroso (na also!! Geht doch auch hier!!!)-Lagerungen, die fünf, acht oder neun Jahre im Fass verbrachten. Der Kollege kommt schon komplexer, aber auch kantiger daher, mit viel Getreide in der Nase (also daher breakfast), Pfirsich und Gewürzen. Auf dem Gaumen vermerken wir Eiche, Karamell, aber auch würzigere Noten wie Senf und Apfel – nicht ganz einfach, aber durchaus spannend. Etwas eindeutiger und klarer gehen wir weiter mit dem Pearse Founder’s Choice, einem Single Malt, den der Gründer offenbar höchstselbst selektierte.

12 Jahre bringt er auf die Tafel, weshalb ich frage, wie das nun sein kann, nachdem man ja erst vor einigen Jahren begann hier zu produzieren. Des Rätsels Lösung: Meister Lyons fabrizierte mit seinen US-Pot Stills schon vorher in Irland, allerdings eben nicht hier vor Ort, sondern in den Räumlichkeiten der Carlow Brewery. Wir konstatieren hier eine weiche, fruchtige Note, bei der auch jede Menge Gewürz, Zitrus und Honig mit hineinspielen. Nachdem im Hause Lyons gerne mal ein anderer auswählen darf, kommen wir nun zum Pearse Cooper’s Select: für diese spezielle limited edition hatte Herr Lyons 80% Malt und 20% Grain aus ex-Bourbon-Casks in ein Olorrrossso-Fass gelagert, wo diese Kombination eigentlich nur 6-12 Monate bleiben sollte. Nachdem die Renovierung der Kirche sich allerdings deutlich länger hinzog als geplant, standen am Ende ganze vier Jahre im Sherry-Fass zu Buche, weshalb der Cooper’s Select ganz ohne künstliche Kolorierung eine wunderbare goldene Farbe sein eigen nennt und die mit Fug und Recht intensivste Sherry-Nachreifung aller irischen Whiskeys für sich beanspruchen darf.  Das Ergebnis schmeckt erwartungsgemäß süß, nach dunklen Früchten, Rosinen und Äpfeln und einer wunderbar nussigen Ahnung der gekohlten Bourbon-Fässer. Eher nachrichtlich testen wir dann noch den Ha’Penny Dublin Dry Gin, der – benannt nach der Brücke über den Liffey, bei der früher ein half penny Maut fällig wurde – in Cork gebrannt wird, wo im Übrigen auch die Lagerung der restlichen Produktion erfolgt. Mit jeder Menge floralen Noten, allen voran Löwenzahn, mag der Geselle seine Freunde in der Bart- und Karowesten-Fraktion finden, die sich momentan diesem Getränk verschrieben hat. Wir bleiben lieber unserem uisge beatha treu und schnappen uns auch hier mit dem Pearse Lyons 5 Year Single Malt eine exklusive Edition: immerhin stellt diese Ausgabe die erste Abfüllung dar, die tatsächlich hier vor Ort in den durchaus heiligen Hallen gebrannt wurde und auf insgesamt 4000 Flaschen limitiert ist (wer es noch hochwertiger mag: 1000 weitere Flaschen wurden in cask strength abgefüllt und werden ausschließlich im Shop am Flughafen Dublin feilgeboten). Somit geläutert und erbaut an Seele und Körper gleichermaßen, stellen wir erneut fest: wer den Whiskey will verstehen, muss in Whiskeys Lande gehen. Was wir noch in diesem Jahr nochmals beherzigen werden. Schalten Sie auch dann wieder ein, wenn die Getränkegruppe neue Abenteuer zu berichten hat.