Einchecken, bitte: wir heben ab mit der München Whisky & Spirits 2025

21.11.2025
Wappenhalle München

Neues Jahr, neue Location: in der altehrwürdigen Wappenhalle traf man sich dieses Mal zum originalen Stelldichein der Freunde hochgeistiger Getränke. Da legten wir unsere Bordkarte doch gerne vor.

Messe Riem, das war ja bis 1992 das Flughafengelände, wo heute noch neben modernen Ausstellungshallen der Tower und eine schmucke Halle zu sehen sind, die von allerlei Städtewappen geziert seinerzeit als Empfangsräumlichkeit fungierte. Mittlerweile ist die Wappenhalle längst zu einer gerne genutzten Eventlocation mutiert, die sich auch Zeremonienmeisterin Tanja Berthold für die diesjährige Ansetzung der einzig wahren Whiskymesse in unserer hübschen Landeshauptstadt ausgesucht hat. Mit mehr als 30 Ausstellern liegt der Fokus klar auf dem Wasser des Lebens (was sich angenehm abhebt von anderen Veranstaltungen, die jeweils dem nächsten angesagten Trend der Hipster-Karohosen-Fraktion nacheifert), sinnvoll ergänzt durch Ausläufer bei Rum und Cognac - daher die kleine Namenserweiterung, aha. Schon der erste Rundgang offenbart neben der beeindruckenden Location und einer wohlig-gedämpften Atmosphäre diese Bandbreite. Unseren ersten Stopp legen wir ein beim Stand der Xaver Bar, jener Schänke im Hotel Dragoner im unweit von hier zu findenden Peiting, die 2025 den Preis für die Deutschlands beste Whisky-Bar einheimste. Von den knapp 2.900 (!) Tropfen an der Bar, darunter zahlreiche exklusive Abfüllungen, hat Monika Pummer heute eine handverlesene Auswahl dabei, von der wir uns nun einen 15jährigen Glen Garioch schmecken lassen, der als Olorso-Sherry-Reifung mit 52,2% im Glas steht und schon einmal einen wunderbaren Auftakt markiert. Wir kehren später noch einmal zurück und probieren einen eigens für die Xavers abgefüllten 12jährigen Strathisla, der seinen reinen Bourbon-Charakter mit starken 53,7% zauberhaft vanilleartig entfalten kann. Ein paar Schritte weiter klingt uns Bill Murray im Ohr, der samtig „It’s Suntory time“ raunt: hier versuchen wir einen 21jährigen Hibiki, der wie sein jüngerer Bruder Hibiki Harmony als Blend daherkommt und mit 43% dem Vernehmen nach der Lieblingswhisky von Keanu Reeves ist. Wir fragen ihn, wenn wir ihn wieder sehen.
Jetzt aber auf zu einem echten Münchner Original: wie immer hat Mike’s Whiskeyshop seine massive Bar (in Mikes Haupthaus am Karlstor im Obergeschoss, unten gibt’s ja bekanntlich Lampen) mit über 100 Sorten aufgebaut und greift wieder jovial ins Geschehen ein. Man wähnt sich fast im getäfelten Büro eines John Ross Ewing in Dallas, Cowboyhut und standesgemäßes Hemd inklusive, als Mike und sein Gehülfe launig ausschenken. Einen rechten Weihnachtswhiskey habe er für uns dabei, mit Apfel, Zimt, Ananas und Orange – dank des massiven Angel’s Share nur zwei Jahre gereift und dennoch mit wunderbarer Farbe gesegnet, tritt uns der Ranger Creek aus Texas da entgegen. 54,5% stehen zu Buche, „nehmt’s a Wasser dazu!“, empfiehlt Mike und erklärt uns noch, wie das mit dem Trinken richtig geht: erst mal getrennt durch die rechte und linke Nase riechen, das trennt Alkohol und Aroma, dann ein Schlückchen, gleich ein kaltes Wasser hinterher, „dann schmeckts wieder was“. Wir danken artig und hören weiter, dass es in Amerika 2950 Brennereinen gibt, „davon kannst fast die Hälfe in der Pfeife rauchen“, dann gibt’s noch die Industrie-Brennereien, und mit dem Rest, mit denen arbeitet der gute Mike dann zusammen. Recht so, der Mann macht eben Qualität.

Das gilt auch für die Lokalmatadoren von Lantenhammer, die nur 50km von hier am Schliersee beheimatet sind. „Das ist meine KI-gestützte Präsentation“, zeigt uns der Kollege augenzwinkernd ein paar schön old schoolige Pappdeckel mit Bildern (die er uns „danach auch gerne zufaxt“ – keine Frage!), die zeigen, was die Whiskymarke Sild ausmacht. Die beiden Chefs Anton Stetter und Alexander Sievers nutzen aktiv ihre Verbindungen in den hohen Norden, um nicht nur die dortige Biogerste aus Morsum und auch den in einem streng begrenzten Inselabschnitt entstehenden Torf, sondern auch auf Lagerung vor Ort zu setzen. In einem alten Kutter von 1948 startete man das Unterfangen, hatte aber nicht auf dem Schirm, dass ein nur im Hafen ankerndes Schiff irgendwann vor sich hin rottet, weshalb man den Silt flugs umlagern musste. Etwas trittfester ist da schon die Höhle, die man auf der Halbinsel Freudenberg entdeckte und dank 94% Luftfeuchtigkeit und wohligen 8% Temperatur schnell als idealen Lagerplatz für 12 Fässer in Beschlag nahm. Der sinnig betitelte Sild Lost Cave kommt in der 2. Abfüllung mit 48% ins Glas und verbreitet mit einer Rum-Reifung fruchtig-mineralische Noten, die von einem leichten Anflug von Rauch elegant eingerahmt sind. Wir wandern weiter in der Gewissheit, dass man sich hier eine Kleinigkeit von Ardbe(r)g abgeschaut hat, wo man auch stets betont, „telling a good story“ ist die halbe Miete. 

Harte Fakten in Form von Alter und Gehalt gibt es dann beim nächsten Stopp: bei Gourmet Pool Limited Spirits gibt es ausschließlich limitierte Editionen von beachtlichem Alter, allesamt in Cask Strength abgefüllt, was man mit Fug und Recht als „ultra premium“-Ansatz bezeichnet. Wenigstens 20 Jahre muss ein Tropfen hier mitbringen, bis zu 61 Jahren reicht die Skala, wobei man sich rühmen darf, bei namhaften Häusern wie Lagavulin, Cragganmore, Ardbeg und Talisker sogar eigene Fässer zu unterhalten. Wir staunen gerade über einen 30jährigen Talisker, der als „Cask of Distinction“ präsentiert wird, und lauschen noch den Ausführungen über die Labels, die KI-gestützt (dieses Mal ernsthaft) jeweils ein charakteristisches Etikett zu bieten haben, bevor wir uns dann einem 26jährigen Ben Nevis von 1996 widmen und uns einer wahren Aroma-Explosion erfreuen, die mit 51,5% perfekt ausbalanciert ist. Und nachdem Versuchungen ja dazu da sind, ihnen nachzugeben, gönnen wir uns gleich noch eine weitere Kostbarkeit – einen 30jährigen Tullibardine, der mit vergleichbar entspannten 43,1% aufwartet, aber dennoch in gleicher Weise entzückt und uns sehr stilsicher per Valinch gereicht wird. In einer Whisky-Welt, die immer mehr in Richtung No Age und Marketing abgleitet, bietet dieses Konzept ein echtes Highlight!

Nachdem wir von diesem Plateau kaum noch zurückweichen können, lenken wir die Schritte direkt zu den alten Veteranen von den Munich Spirits, die ihr gewohnt hochwertiges Sortiment zu absolut fairen Preisen am Start haben. Hier probieren wir einen 18jährigen Mortlach (57,3%, wunderbare Sherry-Reifung, und nicht in der mittlerweile üblichen eckigen Flasche) und einen Brackla (53,2%), der von seinen insgesamt 12 Jahren stolze 9 Monate in Octave-Fässern zubringen durfte. Ebenso allererster Kajüte ist die Selektion, die beim unabhängigen Abfüller Lady of the Glen unter dem Motto „Scottish Whiskys of Disctinction“ an den Start geht. Fachkundig und höflich betreut, setzen wir unsere Geschmacksreise mit einem 18jährigen Highland Park des unabhängigen Abfüllers Dràm Mòr fort, der uns bei 57,1% mit wunderbaren Karamell-Aromen erfreut, bevor wir dann eindrücklich an eine längst verflossene Reise erinnert werden. Auf der seinerzeit mehr als stürmischen Überfahrt (bei der die Einheimischen nach unserer glückhaften Ankunft erstaunt feststellten, sie selbst wären da ganz bestimmt nicht eingestiegen) passierten wir auf dem Weg zu den Orkneys einen steilen Felsen, der den letzten Abschnitt markiert: der Old Man Of Hoy war eine echte Offenbarung, weil wir tatsächlich angekommen waren, weshalb ich auch heute gerne zugreife. Hinter dem unter dem Black Adder-Label abgefüllten 15-jährigen Spirit gleichen Namens aus der „Raw Cask“-Reihe dürfte dann wohl auch ein Highland Park oder Scapa stecken, der uns hier mit mächtigen 59,8% die Wadl nach vorne richtet. Sehr schön! Nun aber auf zum unweigerlichen Main Event of the Evening (oder eher Afternoon): nein, keine der zahlreichen, sicherlich auch spannenden Masterclasses. Vielmehr besuchen wir gerne wieder unsere guten Freunde vom Whiskykeller, die ihn gewohnt sympathischer Manier ihre Auswahl der Abfüllers Berry Bros. präsentieren und die eigene „Lords“-Reihe dabei natürlich nicht vergessen. Nachdem ich dargelegt habe, dass ich entgegen der bisherigen Besuche mittlerweile eher in die reine Bourbon-Ecke tendiere, kredenzt man mir gleich mal eine Ausnahme: mit dem 9jährigen Westland, Collective #1: The Pioneers, haben die Herrschaften einen American Whiskey aus Washington am Start, der mit Madeira-Finish und 53% zauberhaft fruchtige Noten zaubert. Jetzt aber auf in Richtung der edlen Lords und Ladies, die wie immer Maestro Andreas Hailer höchstpersönlich selektiert bzw. kreiert hat und die allesamt limitiert mit Fass-Stärke aufwarten: wir wandern mit einem 15jährigen Glenrothes (wunderbare Sherry-Noten, einem 13jährigen Teaninich (finish in Chateau Margaux Weinfässern, rote Beeren allenthalben, und definitiv kein Schlafitt!), den ich mir von Meister Hailer himself signieren lasse (happy drams – schönes Motto!) und schließlich noch einem 6jährigen Tullibardine (Barrique-Finish – mehr Frucht geht nicht) in den Sonnenuntergang. Wie immer also ein wunderbarer Besuch bei den Experten, die wir schon lange Jahre gerne beehren. Auch alles in allem somit ein weiteres geschmacksintensives Kapitel aus der München Spirit-Story, die hoffentlich noch viele Fortsetzungen findet.