Kirchweih, fränkische Rhapsodien und dubiose Schulkameraden: Explizite Lyrik zwischen J.B.O. und KühlesZeug.de

J.B.O. - live auf dem Rockavaria

Im Rahmen des Rockavaria-Festivals in München versäumten wir es natürlich nicht, die Lokalmatadoren J.B.O. auf ein Schwätzchen einzuladen. Vito C., Wolfram und Hannes G. Laber ließen sich auch nicht lange bitten, sondern zeigten sich als sehr kontaktfreudig und durchaus auch politisch…

KühlesZeug.de: Fangen wir doch gleich mal mit dem gestrigen Tag an, wart Ihr zufrieden mit dem Auftritt?

Wolfram: Ja, das war sehr schön, da gibt’s gar nichts zu meckern! Die Arena war trotz der frühen Tageszeit schon voll…

KühlesZeug.de: Habt Ihr Euch gestern dann noch die ganzen anderen Konzerte angesehen?

Wolfram: Nein, das ging leider nicht, wir mussten ja gestern schon den ganzen Tag lauter dumme Fragen beantworten, haha… deswegen konnten wir uns nicht so viel ansehen, aber ein bisschen von Suicidal Tendencies haben wir mitbekommen, die alten Heroen, das musste natürlich sein!

KühlesZeug.de: Mögt ihr generell die Atmosphäre auf Festivals, gerade auch im Vergleich zu Club-Konzerten?

Wolfram: Festivals sind natürlich komplett anders, auf Festivals hast Du sehr kurze Umbaupausen, meistens keine Soundchecks - da gibt es nur so genannte Line Checks, bei denen unsere Crew nur prüft, ob alles funktioniert. Bei einer Tournee dagegen haben wir natürlich mehr Zeit, am Nachmittag ist Soundcheck, dann geht man essen und Abends dann der Auftritt. Auch akustisch ist das eine völlig andere Situation, Du hast hier eben keinen geschlossenen Raum. Am liebsten sind uns eigentlich die Läden mit einer Größe, die so um die 1500 Leute fassen können, die sind akustisch am besten – da gibt es nicht diese Kasperltheaterbühnen [Anmerkung der Redaktion: er meint damit Bühnen in noch kleineren Hallen], bei denen der Sound einfach nur so rausklatscht und du auch auf der Bühne nichts hörst. Diese mittleren Hallen machen einen schönen, breiten, fetten Sound, den du outdoor auf einem Festival so nicht hinbekommst.

Unser Gesprächspartner Vito C. in action

Vito: Wir finden es aber trotzdem toll, sowohl Festivals als auch kleinere Konzerte zu spielen. Ich möchte Festivals auf keinen Fall missen – natürlich ist das ein Kaltstart, aber dafür ist es ein 0 auf 100-Gefühl, das Adrenalin bringt. Das hat eine ganz eigene Dynamik, und nur 1500er-Läden auf die Dauer wären doch auch langweilig…die Abwechslung macht‘s einfach!

KühlesZeug.de: Ihr spielt viele Cover-Versionen…

Vito: Immer mal wieder, ja…

KühlesZeug.de: Ist das mit den Rechten an den Originalen nicht relativ teuer auf Dauer, und wie läuft das überhaupt ab?

Vito: Das ist mein Ressort, Referat C.! Das ist natürlich immer ein ziemlicher Aufwand, aber wir machen das ja mittlerweile lange genug. Das läuft immer gleich ab. Wenn wir einen Text zu einem bestehenden Titel geschrieben haben, müssen wir das beim Musikverlag anfragen. Viele denken, man müsse sich an den Urheber wenden, also den, der den Song geschrieben hat. Aber der Urheber hat seine Rechte ja üblicherweise an einen Verlag abgegeben, deshalb wende ich mich an den Verlag. Wenn es ein nicht-deutsches Original ist, muss ich oft noch eine Rückübersetzung unserer Fassung beifügen, was in manchen Fällen schwierig und oft einfach ziemlich witzlos ist, weil Wortspiele halt einfach nicht übersetzbar sind. Besonders krass war das mal bei einem etwas älteren Song namens „Ich sag JBO“, das war eine Coverversion von „Say Captain Say What“, was ja sehr viel Text hat. Damals dachten wir uns: das leisten wir uns jetzt, das lassen wir uns übersetzen. Das Übersetzungsbüro hat das allerdings abgelehnt – nachdem die ja nach Wörtern bezahlt werden, hätte sich das überhaupt nicht gelohnt, weil in jedem Satz so viel Gags versteckt waren. Also haben wir uns ein dickes Wörterbuch gekauft und das dann doch selbst übersetzt – die Genehmigung haben wir letztendlich auch bekommen, also kann es so schlecht nicht gewesen sein…
Auf die Antworten von den Verlagen müssen wir in manchen Fällen sehr lange warten, bis überhaupt eine Reaktion kommt, weil da ja teilweise auch noch amerikanische Mutterverlage angefragt werden müssen. Oft gibt es gar keine Antwort, manchmal eine Absage und eben auch manchmal die Genehmigung.

KühlesZeug.de: Und das bezahlt man dann einmal, oder nach Absatz?

Wolfram Kellner an Den Rosa Drums

Vito: Da muss man gar nichts bezahlen, die Entlohnung selbst läuft ja über die GEMA-Gebühren. Wenn man eine CD veröffentlicht, muss die Plattenfirma dafür ja einen bestimmten Betrag an die GEMA zahlen – wenn nur Eigenkompositionen auf der CD sind, bekommst Du die Gebühren, die Dir zustehen, über die GEMA selbst ausgeschüttet. Wenn es andere Urheber sind, bekommen diese über die GEMA ihre Tantiemen.

KühlesZeug.de: Werden Eure Anfragen bei den Verlagen oft abgelehnt?

Vito: Ja, wir haben eine ganze Schublade voller Ablehnungen. Worum es mir am meisten leid tut, ist ein Song namens „Franconian Rhapsody“ – dafür gibt es sogar ein sehr schönes Demo. Wir haben das jetzt schon mehrfach angefragt, mit ein wenig zeitlichem Abstand, aber die letzte Antwort war: „Bitte nicht mehr anfragen“.

KühlesZeug.de: Das würden wir ja tatsächlich auch mal gerne hören. Kommen wir aber mal zu eurer neuen Platte, da ist MC Söder mit am Start. Der Original-Söder war ja offenbar ein Schulkamerad von einem von Euch…

Wolfram: Von unserem Bassisten Ralph, um genau zu sein.

KühlesZeug.de: Habt Ihr da nicht Bedenken, dass der echte MC Söder etwas gegen den Song einzuwenden hat?

Wolfram: Nun, wir dürfen doch über Personen des öffentlichen Lebens singen, oder? Am Nockherberg muss der doch viel mehr einstecken als bei uns. Außerdem ist das ja eine autobiographische Geschichte, die beiden sind damals wirklich zusammen um die Häuser gezogen, so mit 12, 13 Jahren. Und schon damals ging der Herr Söder in die Richtung, die wir heute kennen, und genau darum geht es in dem Song.

Wer was auf sich hält, hat sein eigenes Bier dabei

KühlesZeug.de: Wo wir gerade bei dem Thema Politik sind, ihr habt mal bei der Piratenpartei Zitronenpressen abgegeben…? Das hab ich nicht kapiert… was war da los?

Vito: Das kann ich Dir gerne erklären! Auf unserem 2009er-Album hatten wir einen Song namens „Angie“, eine Coversion von „Jeannie“ von Falco. Für die Limited Edition der CD hatten wir Zitronenpressen herstellen lassen, mit einer kleinen Angela Merkel-Büste, auf der man die Zitrone dann auspresst. Davon hatten wir im Lager noch ein paar Exemplare übrig. Unser damaliger Webmaster hat sich seinerzeit in der Piraten-Partei im Saarland engagiert, die sich mittlerweile ja ziemlich zerlegt hat, aber am Anfang zumindest etwas frischen Wind in die politische Welt brachte und vieles anders machen wollte als die etablierten Parteien. Deshalb haben wir ihm die Dinger als Nettigkeit für den Wahlkampf überlassen.

KühlesZeug.de: Der erste Song auf der neuen Scheibe 11, „Wir lassen uns das Blödeln nicht verbieten“ – kann es sein, dass das eine Parodie auf  Bands wie die Böhsen Onkelz ist, auf diese selbstherrliche underdog-Attitüde?

Vito: Da hat’s einer kapiert! Der Kollege von Dir da drüben hat das gar nicht kapiert [Anmerkung der Redaktion: deshalb sind wir ja auch bei KühlesZeug.de!]. Genau, das ist einer der Gründe für diesen Song…

Wolfram: Exakt - wir wollten auch einmal einen Song machen mit diesem lachhaften heroischen Pathos, das da immer aufgefahren wird und ziemlich albern ist.

KühlesZeug.de: Was ist Euer Highlight auf der neuen Platte?

Vito: Mein persönliches Highlight ist „Fünf Minuten“. Die Musik dazu ist von mir, der Song ist sehr rund geworden, obwohl er schnell entstanden ist. Hannes und ich haben gleichzeitig eine musikalische Struktur für den Text entworfen – und ich hab gewonnen!

KühlesZeug.de: Der "Panzer Dance" ist eine Cover-Version dieses unsinnigen Pizza Hut-Songs. Gleiche Frage wie vorhin, textlich geht es in dem Song ja um diverse deutsche Rüstungsfirmen, bringt so etwas nicht Ärger ein?

Vito: Wir haben da überhaupt nicht drüber nachgedacht – warum sollten wir diese Firmen nicht nennen dürfen? Kentucky Fried Chicken und McDonald’s dürfen im Original ja auch genannt werden. Interessanterweise hat unsere Plattenfirma den Text aber gleich einem Anwalt vorgelegt, der dann allerdings meinte, das sei kein Problem.

Wolfram: Wir müssen da ohnehin alle ein bisschen aufpassen in dieser Richtung. Ich merke auch bei der Interview-Tour, dass genau solche Fragen sehr oft kommen, früher war das überhaupt kein Thema. Es ist ja genau unser Konzept, Dinge aufzunehmen und nicht ganz bierernst zu beleuchten – die Sensibilität gerade auf Seiten der Presse ist aber offensichtlich deutlich erhöht, was für mich ein wenig beängstigend ist. Wir sollten uns auf gar keinen Fall irgendwie den Mund verbieten lassen, auch wenn es da gerade politische Diskussionen auf internationaler Ebene gibt, das darf nicht sein!  

KühlesZeug.de: Jaja, früher... Wir haben „Ein guter Tag zum Sterben“ schon zu unserem Abi-Scherz im Schulhof gespielt [Anmerkung der Redaktion: wow, das ist LANGE her!!], hat man nicht irgendwann mal die Nase voll davon, Comedy-Songs und ähnliches zu machen?

Wolfram: Das ist echt erschreckend, wir haben gerade das 20jährige Jubiläum von „Explizite Lyrik“ gefeiert und dabei auch diesen Höhepunkt der Pubertät nochmals auf die Bühne gebracht. Wir können immer noch über ähnliche Ideen lachen, die im Bandbus mal so flapsig gebracht werden…wir werden nicht müde! Dieser Humor wird einfach nie alt. ganz nebenbei, weil ich das noch gar nicht sagen durfte, mein Lieblingssong auf dem neuen Album ist übrigens „Wacken ist nur einmal im Jahr“, phänomenaler Sound, das ist sehr gut geworden.

Vito:  Kennst Du das Original?

KühlesZeug.de: Ich kenne eines [Anmerkung der Redaktion: gemeint ist die Party-Hymne „Malle ist nur einmal im Jahr“], aber wenn Du schon so fragst, ist das wahrscheinlich nicht das eigentliche…

Vito: Das ist auch schon ein Cover, genau. Im Original ist das nämlich von einer fränkischen Kerwa-Band [Anmerkung der Redaktion: für alle nicht-Franken: kerwa ist das Kirchweih-Fest. Wir verstehen das natürlich, da die ganze Runde ja aus Unter- und Mittelfranken besteht und ich sogar einflechten kann, dass ich am Vortag noch in Erlangen auf dem Comic-Salon weilte. Mehr dazu gibt es bei unserer Schwesterpostille www.comicleser.de], die sich nur einmal im Jahr zusammenfindet und bei der Bamberger Sandkerwa auftritt, weshalb der Song eigentlich auch „Kerwa ist nur einmal im Jahr“ heißt, genauer gesagt „Kerwa olé“. Wir kannten eigentlich auch nur die Malle-Fassung, und nur über die GEMA haben wir die eigentlichen Urheber herausbekommen. Als ich dann die Namen gelesen habe, dachte ich: den einen kenne ich. Die haben gar keinen Verlag, sind aber Urheber, weshalb wir das dann direkt mit denen klargemacht haben.

KühlesZeug.de: Eine Frage noch zum Bandnamen, ist die Sache mit der Zensur ein PR-Gag, oder wurde der Originalname wirklich verboten?

Vito: Das ist wirklich verboten. Die alte Plattenfirma von James Last und deren Anwälte haben sich jüngst erneut verbeten, dass wir den Namen nutzen. 1996 tauchten wir ja erstmals in den deutschen Charts auf, und da flatterte dann eine Unterlassungsklage von der Polydor bei unserer damaligen Plattenfirma herein. Wir waren damals noch viel zu unerfahren, um dagegen vorzugehen,  daher haben wir das seinerzeit unterschrieben und einfach ein „zensiert“ über den Namen geklebt. Diese Geschichte war im Übrigen die beste Promo-Kampagne, die wir jemals hatten. Das hat uns zu großer Bekanntheit verholfen. Dennoch wäre ich gerne 2014 zu unserem 25jährigen Jubiläum unter dem eigentlichen Namen aufgetreten. Wir haben dann im Vorfeld über Management und Agentur anfragen lassen, das wäre doch für alle eine schöne Sache gewesen. Die einzige Antwort darauf war: wir mögen uns doch weiter von dem Namen James Last fernhalten. Und damals  lebte er ja noch, jetzt dürfte das in Stein gemeißelt sein. Ihm selbst war das doch total egal – uns wurde mal ein Foto zugespielt, auf dem James Last eine J.B.O.-CD in der Hand hält und sich dabei köstlich amüsiert.

Jetzt gesellt sich noch Hannes G. Laber zur Runde, und wir philosophieren noch ein wenig über kluge und dumme Fragen bei Interviews –  die dümmste Frage, die wir uns dann aber auch nicht nehmen ließen, noch zu stellen, ist offensichtlich die Frage nach der dümmsten Frage :-) - wobei uns bescheinigt wird, dass wir uns nicht ganz doof angestellt haben, wie so manch andere. Ganz im Gegenteil!! Das freut uns, wir danken für das lustige und informative Gespräch und eilen in die Arena, wo just in dem Moment der zweite Tag des Rockavaria mit den Senkrechtstartern Beyond the Black startet…

Hier noch ein paar Links:

KühlesZeug.de meets J.B.O.