Am Anfang war das Feuer: wir suchen den Nachtclub mit Feuerschwanz, Lord of the Lost und Dark Side of the Moon

17.10.2025 Zenith München
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Lustig benannte Fangruppen, ESC-Achterbahnfahrten und vor allem fulminantes Liedgut: wenn sich so eine massive Paketierung aus deutschen Landen die Ehre gibt, sind wir natürlich mit dabei. Wie sagte an dieser Stelle Johnny Storm: Flamme an!

Beim letzten Song, da tummeln sich auf der Bühne der Industriehalle Zenith jede Menge Musikanten – als sich zum gemeinsamen Toursong „Lords of Fyre“ beide Co-Headliner gleichzeitig die Ehre geben, da gibt es das, was der knorrige Kaleun in Buchheims „Boot“ gerne mal als „Wuling“ bezeichnete, ein rechtes Durcheinander, eine geschäftige Wimmelei von Leuten. Zum kraftvollen Stampfrhythmus, der gekonnt Stilelemente der beiden Protagonisten verbindet, werfen sich Chris Harms, der Hauptmann und Hodi nochmal voll in die Bresche, und auch die an diesem Abend allgegenwärtigen Zündeleien flammen nochmal gewaltig auf.

Aber wir beginnen mit dem Anfang. Die Ankündigung einer gemeinsamen Ausfahrt von Feuerschwanz und Lord of the Lost unter dem launigen Titel „Lords of Fyre“ fand natürlich sofort unser Wohlwollen. Und das nicht nur, weil wir dadurch wieder an den legendären Metallclub in der Heimat erinnert wurden, die Childs of Fire [sic], die meine Mitgliedschaftsanfrage leider bis heute unbeantwortet gelassen haben. Und wenn dann auch noch Dark Side of the Moon mit ihrem breitwandigen Symphonic-Fantasy-Sound den Reigen ergänzen, dann gibt es eigentlich eine gute Ausrede mehr.

Daher finden wir uns zu einer Zeit vor dem Zenith ein, die eigentlich eher zum Afternoon Tea gehört – immerhin soll es schon früh losgehen, damit das mit der Sportschau noch klappt. Wir wandern hinein und notieren eine zwar ordentlich, aber nicht prall gefüllte ehemalige Eisenbahnausbesserungshalle – irgendwie ist die Dimension der Ansetzung zwischen dem Backstage Werk (die die Chose ja auch veranstalten) und einer nächstgrößeren Spielstätte, die es halt nicht gibt. Der Stimmung soll das im Verlauf des Abends allerdings keinerlei Abbruch tun.

Entgegen der Information, die wir vom Personal erhalten – „die erste Band startet um 7“ – geht es Schlag 18.30 los, zu den Klängen von „Gates of Time“ steigen Dark Side of the Moon in ihr Set ein. Die Kombo um Feuerschwanz-Saitenbieger Hans Platz hat sich vom Hobby zur ernsthaften Macht in der Symphonic-Ecke mit erheblichem Herr der Ringe-Einschlag gemausert. Mit für die Location überraschend sauberem Sound geht es dahin, neben Zirkusdirektor Platz mit Hut und Mantel (fehlt nur noch der Degen) zieht natürlich die schmucke Fronterin Melissa Bonnie (mal ein Beispiel für einen treffenden Namen, fürwahr) in feschem Fächselrock und massivem Schuhwerk die Blicke auf sich. Zu „First Light“ überlegen wir kurz, wo wir die Dame zuletzt sahen, genau, das war bei Beyond the Black und Amaranthe mit ihrer anderen Formation, nicht Ad Absurdum, nein Ad Infinitum, richtig. Zu „New Horizons“ erkundigt sich die gute Melissa nun „are there any Vikings here?“, natürlich, fast ausnahmslos, bestätigen wir gerne. Mit dem „song that started it all“ geht es weiter, zum Florence and the Machine-Cover „Jenny of Oldstones” sprüht man fröhlich Seifenblasen über die Bühne – wirklich finster, diese Metal-Welt…weiter geht’s im Cover-Reigen: „No Time To Die“, der James Bond-Song der eigentümlichen Billie Eilish (hat offenbar immer wenig Zeit), klingt hier auch dank einiger Grunz-Attacken von Melissa sehr ordentlich, bevor dann mit „Can’t Catch Me Now“ und „Legends Never Die“ zwei weitere Abdeckungsfassungen die Sause beenden. Für einen Opener beste Stimmung und vor allem ein Sound, der fast schon kristallklar ist. Wir grüßen, Herrn Platz sehen wir dann ja später ohnehin nochmal wieder. Und Melissa übrigens auch – dazu gleich mehr.

Jetzt holen wir uns allerdings erst einmal ein paar Regieanweisungen ab: der fürsorgliche Sicherheitsmann erklärt uns den Ablauf im Fotograben. Wie immer die ersten drei Lieder, alles bestens, aber wer Wert auf sein Haupthaar legt, der soll sich unbedingt von den Zwischenräumen der Boxen fernhalten. Da sind nämlich die Pyros, denen man nicht zu nahe kommen sollte – „oder ihr habt meine Frisur“, so die launige Aussicht des kahlen Herrn. Ein Humorist, so geht Security auch. Sehr nett.

Und er hat nicht zu viel versprochen: kaum sind wir hineingewandert, legen die Herren von den Lord of the Lost nach einem kurzen, mit digitalen Lichteffekten untermalten Intro in der Tat ordentlich los. Der Opener „Moonstruck“ macht dem Tourmotto alle Ehren, es zündet buchstäblich überall, und als dann Zeremonienmeister Harms in dunkler Flatterkluft den dunklen Herrscher macht, geht nicht nur die erste Reihe steil. Vom ESC-Desaster hat man sich augenscheinlich erholt, Spielfreude und Bühnenpräsenz sind absolut mitreißend. „I Will Die In It“ zeigt dann die enorme Melodik und songschreiberische Qualität, bevor es dann mit „Damage“ eher in die stampfende Ecke geht. Wir stellen fest, dass wir dank der guten Ratschläge die Pyro-Einlagen unbeschädigt (nicht unbeschadet, das heißt was anderes!!) überstanden haben. Cheffe Harms wendet sich nun gut aufgelegt an uns: „Hallo München, meine alte Heimat!“ Zur Schule gegangen sei er hier, so berichtet er, und bis heute freut er sich jedes Mal, wenn er im Tourbus hier aufwacht, „schon auf eine gute Bretzel!“ Das einsetzende Buh-Konzert kontert er launig „Brezn! Brezn! Ich bin schon zu lange in Hamburg…ich sage auch nicht mehr Semmel sondern Brötchen…“ Nach diesem sprachlichen Exkurs liefert „Drag me to Hell“ einen weiteren Kracher, gefolgt vom Bronsky-Beat-Cover „Smalltown Boy“, das zwar artfremd ist, aber doch irgendwie passt. Zum „Destruction Manual“ und „Die Tomorrow“ wird dann die Durchreiche eingeschaltet, die Surfer sind unterwegs, die Stimmung pegelt sich ganz oben ein – was auch Herr Harms honoriert, der feststellt, die ewige Mär, das Münchner Publikum sei irgendwie fad, das stimme doch gar nicht. Die größte Headliner-Show ihrer Karriere in Süddeutschland haben sie hier, obschon doch die so genannten Experten anderer Meinung waren: „Wir haben diese Tour ja schon ewig geplant, aber alle Business Partner haben gesagt: da kommt doch keiner. Aber schaut mal her!“ Richtig so – nur weil das Eurovisionspbulikum die augenzwinkernde Show der Verlorenen nicht goutierte, gilt das für die Schlachtenbummler im realen Leben ja noch lange nicht. Bei „Blood for Blood“ initiieren die Gaudiburschen nun den „Circle Pit für eine Person“ – die Menge hüpft begeistert und dreht sich um sich selbst, wie auch beim leicht chaotischen „La Bomba“. Dann berichtet Herr Harms vom „seltsamen Sandwich“, das die letzten Jahre kennzeichnete, „Iron Maiden – ESC – Iron Maiden“ – genau, auf der letzten Ausgabe der Legacy of the Beast-Tour konnten wir die Herren in Stuttgart ja erstmals zur Kenntnis nehmen. Quasi als Referenz gibt es jetzt mit „Children of the Damned“ ein durchaus gelungenes Maiden-Cover, das im Lotl-Stil auch gut daherkommt. Dass man Spaß in den dunklen Backen hat, wissen wir ohnehin: „Unsere Fans nennt man ja bekanntlich Losties. Wie heißen also die Fans von Feuerschwanz?“ Das mit den „Sch…ies“ ist dann der Running Gag des Abends, wir nehmen diese Art der Fanfreundschaft mal humorig. Wir sind ja nicht beim Fußball, wo man sich dafür wohl in die Backen hauen würde, gelle? „Loreley“, „The Curtain Falls“ und „Bazaar Bizarre“ heißen die weiteren Beiträge, die Pyros werden wieder allenthalben gezündet, bevor dann mit dem wunderbaren „Light Can Only Shine In The Darkness“ das berückende, zutiefst atmosphärische Duett mit der göttlichen Sharon den Adel dargeboten wird – das hätte man doch hier und heute mit Melissa Bonnie zum Besten geben können, aber die muss vielleicht grade noch Socken bügeln und ist daher verhindert. Jetzt greifen sie wieder in die ESC-Trickkiste und kredenzen uns ein weiteres furioses Cover  nämlich den „Cha Cha Cha“ des Finnen Käärijä (ein ä wäre da schon noch gegangen, oder?), wozu sich Herr Harms dann tatsächlich das Leibchen abreißt und mit Spaghettiträgern dasteht. Und dann gleich noch Haltung zeigt und einfordert: mit dem alten Gassenhauer „Schrei nach Liebe“, den man leicht kürzt, ohne dabei auf das wundersame „artizukulieren“ zu verzichten, fordert man launig: „München, bleibt stabil!“ Machen wir. Der ESC-Reigen geht nun dann doch ins Finale: mit „Blood and Glitter“ präsentieren sie uns unbekümmert den Beitrag, mit dem sie 2023 zwar vollkommen zu Unrecht in Liverpool Schiffbruch erlitten, ihre Bekanntheit aber dennoch massiv steigerten. Zu „Thank your for the music“ aus der ABBA-Konserve ziehen sie von dannen.

Wir pausieren ebenfalls, werden von unserem freundlichen Mann an der Absperrung nochmals ermahnt, dass wir nun den Boxenzwischenraum komplett meiden sollen („die machen jetzt  dauernd Pyro“) und vor allem Song Nr .1 auch aus der Menge heraus beobachten dürfen, bevor wir dann nach vorne stürmen können. Punkt 21.30 fällt dann das riesige Backdrop, und auf geht die wilde Fahrt mit einem ordentlich fetzenden „SGFRD Dragonslayer“, bei dem sich der Hauptmann Peter Henrici und Hodi Ben Metzner (nicht mehr mit wallendem, sondern eher mit Wuschelhaar) stimmlich allerbestens aufgelegt zeigen. Der Mann mit dem Hut ist ebenfalls zurück und greift beherzt in die Saiten, was dann bei „Memento Mori“ nochmal eine Stufe höher gelegt wird. Oder ist das die Hitze von den in der Tat nun dauerspuckenden Feuertöpfen, die wir ab jetzt aus nächster Nähe sehen? Sei’s drum, wir schreiten flott weiter zum immer wieder genialen „Untot im Drachenboot“, zu dem nun auch endlich die standesgemäße Tanzbegleitung einsetzt. Allerdings nicht mehr in Form der beiden „Miezen“ Musch Musch und Myu, sondern in Person der Schildmaide Hela und Yennefer, die ihre Sache mit Schild, Axt und mächtiger Pose mindestens ebenso gut machen. Die Meute geht steil, die Party ist spätestens jetzt in vollem Gange: auch wenn wir hier sehr weit im Süden sind, so der Hauptmann, sind doch sicherlich Wikinger hier, in jedem Fall, und die kennen natürlich Chef Odin und schmettern nach einem schmackigen „Du bist der Bastard“ natürlich treffend „Bastard von Asgard“ zurück. Und der liegt ja bekanntlich in Ketten bis zum Weltenbrand, genannt Ragnarök. Den Weltenbrand erleben wir auch hier, fürwahr, der Hauptmann nimmt weiter fröhlich den Dialog auf, den man kennt: „Wo ich herkomme, heißt das: jawoll, Herr Hauptmann!“ Wir amüsieren uns wieder über die Lostie – Schw…ie-Sprüche, bevor wir uns dann gerne in den „Knightclub“ einladen lassen. Wenn man sieht, wie diese Nummer mit Disco-Vibes, Stroboskop und Pyros komplett abräumt, kann man nur nochmal ungläubig dreinschauen ob der Meinung eines gewissen Metzgermeisters Raab, der die Kombo ja aus der deutschen Vorauswahl zum ESC 2025 warf, mit der gewagten Begründung, die holde Weiblichkeit schätze doch diesen Metal-Lärm nicht. „Chefsache ESC“? - Zeit zum Abdanken, Kollege!  Zum galoppierenden „Ultima Nocte“ schwenken die Schildmaide wirkunsvoll Feuerkreise, beim „Schubsetanz“ (der ist bekanntlich Rittersport!) machen die Maide uns mit Flammenwerfern den astreinen Flight of Icarus-Dickinson, während in der Menge die Pits endgültig eröffnet sind. Der „Kampfzwerg“ macht Laune wie immer, bevor wir dann unseren Bizeps – soweit vorhanden – vorzeigen müssen: „Berzerkermode“ macht sich genüsslich über die neue entdeckte Körperkultur lustig – „pumpen wie in Donnergott, der Rest ist scheißegal!“ Karnevalshupe Sebbes stellt im Verlauf fest, das Ganze sei ja wie Fassenacht mit Stromgitarren, quasi die Höhner auf Speed – doch eher eine riesige Malle-Party mit Folk-Einschlägen und genialem Songwriting, garniert mit einer gehörigen Portion Ironie, füge ich dazu.

Das Hobbit-Epos „Sam the Brave“ rast brillant dahin, ebenso die aus der gleichen Welt stammenden „Uruk-Hai“, und selbst das sonst stets komplett verzichtbare Schlagzeugsolo gerät dank wirkungsvoller Untermalung mit Herr der Ringe-Einspielern (Taking the Hobbits to Isengard) durchaus unterhaltsam. Nun gehen wir zurück in den Nachtclub, vielmehr in die gute alte Disco, den nun servieren sie uns das wie immer zündende Cover des alten O-Zone Heulers „Dragostea din tei“, komplett mit Neon-Brillen, Hüte schwenkenden Schildmaiden und von Metallica abgeschauten schwarzen Riesenluftballons im Publikum. Leider biegen wir nun schon auf die Zielgerade: der Hauptmann fordert uns nun auf, sich der Oberbekleidung zu entledigen, „Wir wollen Euch nackig sehen – und da hinten gibt’s dann wieder neue Leiberl für Euch zu kaufen!“ So kann man den Merchandise-Umsatz auch ankurblen, und doch einige schwenken diverse Kleidungsstücke bei der Feierhymne „Die Hörner hoch!“, zu denen die Maide massive Trinkhörner schwenken. Kurze Pause, aber bitte nicht zu lange, heute Abend kommt zwar keine Sportschau, aber irgendwas läuft doch bestimmt. Aber den Zugabenblock nehmen wir natürlich gerne noch: zum Wikinger-Fest „Valhalla“ hat Melissa, die offenbar fertig ist mit Bügeln, dann doch noch Zeit und übernimmt die Gesangsparts, die auf der Scheibe die gute Doro zum Besten gibt. Nach dem „Elften Gebot“ kommt es dann zur eingangs geschilderten Rudelbildung, die versammleten „Lords of Fyre“ brennen nochmal alles ab, bevor dann Ende im viel zitierten Gelände ist. Wenn wir überhaupt irgendetwas bemängeln wollen, dann vielleicht, dass der Brecher „Gangnam Style“ nur vom Band kommt und nicht Teil des Live-Sets ist. Aber das sind Geschmäcklereien. Wer nochmal will oder nicht hat: kommendes Jahr gibt es in Geiselwind eine zweite Chance,  wenn Feuerschwanz am 15.03. (allerdings nicht mehr im Feuerpaket mit Lotl) die dortige Austragungsstätte besuchen. Und das war ja schon seinerzeit legendär, als unsere Grubbe aufspielte. Vielleicht sind wir ja wieder dabei.