Das große Adventssingen mit Kreator, Dimmu Borgir, Hatebreed und Bloodbath...

7.12.2018
Zenith München
zu den Fotos

muenchen-2018-12-07-kreator-dimmu-borgir-the-european-apocalypse-tour-2018[1][1].jpeg

Es ist Vorweihnachtszeit und damit zieht es die Menschen bekanntermaßen zu besinnlichen Veranstaltungen. Man kann ja auch nicht jeden Tag auf dem Weihnachtsmarkt abhängen, daher klingt es tatsächlich sehr vernünftig den Abend mit den frohlockenden Kollegen von Kreator zu verbringen. “Kreator“ das klingt doch auch irgendwie weihnachtlich, es klingt nach einem Beginn, nach dem “kreieren“ von etwas Neuem, nach einem Bastelabend, nach etwas Göttlichem. Allerdings kommt es dann wie es kommen musste, Herr Petrozza, der von seiner Engelsmannschaft auch liebevoll einfach Mille genannt wird, hat weder ein Nikolauskostüm noch Lebkuchen dabei sondern er schreit uns mit voller Innbrunst an: “Wollt Ihr euch alle gegenseitig umbringen???“ Eventuell hätten wir uns daran erinnern sollen, dass die letzte Veröffentlichung von Kreator “Gods Of Violence“ betitelt ist. Aber ich greife vor, beginnen wir lieber am Anfang…

Die erste Kapelle, die diesen festlichen Reigen hier und heute eröffnet, nennt sich passenderweise “Bloodbath”. Das hat am Nachmittag schon im Büro für Erheiterung gesorgt. “Wie heißt die Band nochmal, wo Du da heute Abend hin willst - Blutbad?” Gelächter…

Egal, jetzt sind wir am Ort des Geschehens im aktuell noch sehr sehr mager gefüllten Zenith und pünktlich um 18:00 Uhr (eigentlich sollte es doch um diese Zeit Abendbrot geben) betreten die Protagonisten, die aussehen, als wären sie direkt aus “The Walking Dead“ geflohen, die Bühne. Da sind sie also, Blutbad, blutverschmiert und aus Stockholm. Zugegebenermaßen kannte ich diese lustige Karnevalstruppe bis heute nicht und bin dann doch sehr erstaunt, als mir der Sänger, der offenbar seinen Kommunionsanzug gerade nochmal rausgekramt hat, irgendwie bekannt vorkommt. Eine kleine Google-Recherche später fällt dann der Groschen. Nick Holmes, ja der Nick Holmes… Paradise Lost und so …. Ich werd verrückt, wieso sagt mir das keiner? Aber Nick Holmes hat wohl schlecht gegessen, und röhrt sich daher Leib und Seele aus dem Anzug.

Ja, das hier ist weit weg von aktueller Paradise Lost-Kost. Dazu fabrizieren die Kollegen der Band einen musikalischen Teppich, der genau so klingt, wie der Bandlogoschriftzug von Bloodbath aussieht. Was heißt, wir haben es hier mit einem traditionellem Deathgewitter zu tun, in dem Worte, die man sonst nur in Metzgereifachabteilungen zu hören bekommt, ausgiebig genutzt werden. Der Opener “Fleischmann“ lässt kaum einen Zweifel an dieser Einordnung. Dementsprechend ballern und Grunzen sich die Schweden (und der Engländer, wie wir jetzt wissen) durch Songs mit so weihnachtlichen Titeln wie “Before you die“, “Bloodicide“ oder “Chainsaw Lullabye“ wobei Nick dabei wirklich beinahe seine kompletten Innereien herauswürgt. So weit, so schön, was nicht so schön ist, ist dass der Sound hier - gerade wenn das Zenith noch so leer ist - wieder mal durchaus kritikwürdig ist. So bekommt der Gast hier eher eine diffuse Lärmwand, die sehr nach Underground-Keller-Proberaum klingt, als nach dem, was hier an begabten Musikern auf der Bühne steht. Ich habe mir beim Schreiben gerade noch mal ein paar Bloodbath Songs der aktuellen Scheibe “The Arrow Of Satan Is Drawn“ reingezogen und von der massiven Walze, irgendwo zwischen Death und Bolt Thrower, die man auf der Platte hört, war im Zenith leider kaum was zu vernehmen. Schade, schade…

Als nächstes stehen Hatebreed auf dem Programm, die sich mit Grooves und Walzen ja bekanntermaßen auch sehr gut auskennen. Auch wenn überall auf der Bühne Totenköpfe platziert wurden, lassen die Kollegen aus New York keinen Zweifel daran, dass sie hier eher eine Party feiern wollen, als weiter der Zombie-Apocalypse zu frönen. Schon mit dem ersten Song ”To The Threshold” beginnt das wilde Hüpfen im Mittelbereich vor der Bühne. Ja, man kann von der Neunziger-US-Hardcore-Crossover-Metal-Szene halten was man will. Die Jungs bringen Bewegung unter die Leute. Da gibt es Nix. Wobei, also Schildkappen sind ja so eine Sache. Die-Hard-Hatebreed-Fans brauchen Schildkappen, diese wiederum sind halt komplett unpraktisch beim Headbangen. Gerade wenn man längere Haare sein Eigen nennt, fallen die Kappen halt dauernd runter und mein Nachbar hat offensichtlich kein Problem damit, dauernd, auf der Suche nach seiner Kappe, zwischen meinen Füßen rumzukrabbeln. Zurück zur Bühne, denn dort toben und hüpfen sich Hatebreed nach Lust und Laune weiter aus, erklären uns, dass sie hier schon mit Slayer getourt haben und dass, wenn Kreator (äh mighty Kreator) bei einem anruft und fragt, ob man mit ihnen touren will, dass es da nur eine Antwort gäbe. Offensichtlich war diese: JA. Was fehlt noch? Klar… Circle Pits, aber auch da enttäuschen uns Hatebreed nicht und fordern ebendiese gefühlt im Minutentakt ein, was dazu führt, dass ein immer größerer Bereich vor der Bühne durchgemischt wird. Besonders bei den bekannteren Songs der Kapelle wie “Perseverance“, “I will Be Heard“ oder dem finalen “Destroy Everything“ gleicht das Zenith eher einer Sportveranstaltung, dem auch hier wieder matschigen Sound zum Trotz. Feine Sache, Hatebreed sind live eine Bank und jeder, der sich austoben will, hatte dazu schon mal ausgiebig Gelegenheit.

Nun aber die unnachahmlichen Dimmu Borgir. Endlich wird die Veranstaltung doch noch festlich, (un-)christlich und pompös. Lange war es ruhig um die Truppe aus Norwegen, satte acht Jahre mussten wir auf ein Album warten, welches mit dem klassischen Black Metal der Anfangstage der Band so gar nichts mehr zu tun haben will. Aber nun ist es da, und es hört auf den Namen “Eonian”. Ja, ja … ich höre die Unkenrufe… klingt wie Nightwish… Ausverkauf…. und so weiter. Wer sich davon nicht beirren lässt, bekommt ein unfassbar abwechslungsreiches Stück Musik auf die Ohren, welches konsequent fortführt, was Shagrath und seine in Leder gekleidete Rasselbande in den Jahren davor veröffentlicht haben. Damit rein ins Getöse. “The Unveiling“ vom aktuellen Album eröffnet die musikalische Reise in den mit Zuckerschnörkseln, Streichern und Chören verzierten Gruselsoundtrack. Dummerweise fällt jetzt, bei diesem orchestralen Bombast, den Dimmu Borgir hier abliefern so richtig auf, dass die Akustik im Zenith dem Ganzen heute nicht gewachsen ist. Kennt man die Songs nicht, bekommt man von vielem, was da heute an Atmosphäre von Band und Synthesizer kommt nicht viel mit. Teilweise habe ich selbst öfters länger gebraucht um heraus zu hören, was für ein Song denn da gerade intoniert wird.

Werfen wir den Mantel des Schweigens über das Thema und konzentrieren uns eher darauf, was wir auf der Positivliste vermerken können und da ist die unglaubliche Bühnenpräsenz von Shagrath, Silenoz, Galder und den anderen Borgir-Schlachtenbummlern. In Ketten und Leder gewand - die Jungs müssen ungelogen mit grob 500 Kilo Klamotten auf Tour sein - schweben und transzendieren Dimmu Borgir auf der Bühne umher und zelebrieren Ihre Vision eines düsteren Fantasyromans der immer wieder mit leuchtenden Farben und Formen eine aufregende und doch verzweifelte Wendung findet. Grimmmig blicken die Darsteller auf der Bühne unter ihren Mänteln mit Schlappmützen hervor und ziehen einen damit geradezu in ihre surreale Welt. Das ist großes Kino. Natürlich tun Bombastsongs wie “Interdimensional Summit“, “Gateways“ oder “Dimmu Borgir“ ihr restliches dazu, diese Vision wahrlich zum Leben zu erwecken. Und Auf die Mütze geben, mit fetten Blastbeats und schneidenden Riffs, haben Dimmu Borgir auch nicht verlernt, was sie eindrucksvoll zwischen den orchestralen Einlagen beweisen. Tolle Show, würde ich mir gerne noch mal in einer anderen Halle und besserem Sound geben, aber man kann halt nicht immer alles haben. Und jetzt geht es eh zum Endspurt.

Bevor aber Kreator auf die Bühne kommen, dürfen die Leute zu einer Konserve von “Run To The Hills” von Iron Maiden noch etwas Singen üben, wovon die meisten auch regen Gebrauch machen. Danach dürfen wir uns noch eine kleine Dia-Show von Milles letzten Urlaub, äh Quatsch von klassischen Kriegsgemälden anschauen. Oder wollte Mille uns zeigen, dass er die alte Pinakothek entdeckt hat? Das werden wir wohl nie erfahren. Aber mit den geschriebenen Worten “Are you ready to get destroyed“ tut es einen Schlag, der Vorhang und haufenweise Konfetti fällt und da stehen KREATOR und ballern uns “Enemy of God“ vor den Latz. Und endlich wird auch der Sound zumindest annehmbar. Die Drums treiben anständig, die Riffs, die Gitarrenlicks des alten Schweden Sami Yli-Sirniö schneiden sich gnadenlos und messerscharf durch die Luft und Mille gröhlt genau so, wie wir es von ihm gewöhnt sind. Ein durchaus imposantes Bühnenbild, in dessen Mitte eine riesige Fratze von der Decke hängt, bildet den Hintergrund für diverse Videoleinwände die je nach Bedarf, Albumcover, verstorbene Musikerkollegen (bei “Fallen Brother“) oder sonstiges Kriegsbildmaterial darbieten.

Wo wir gerade bei Albumcovern sind, da lassen sich Kreator heute wahrlich nicht lumpen und brettern Songs von fast allen Releases aus der durchaus beeindruckenden Geschichte der Band in Richtung Publikum. (Außer von Endorama, aber die Scheibe mag offensichtlich außer mir eh’ keiner ) Zwischendurch versucht sich Mille als Motivator und lässt alle Mann (und Frau) mal vorne mal hinten auf Kommando Schreien. So ganz scheint der Meister allerdings nicht mit der Gesangesleistung der Münchner zufrieden zu sein und gibt irgendwann auf. Allerdings nicht ohne noch zu vermelden, dass wir hier alle (trotzdem?) ein ganz tolles Publikum sind. Weiter im Text, nachdem der aktuelle Output “Gods of Violence“ hinreichend bedacht ist, geht die Reise in die Vergangenheit los. “Satan is Real“, “Phantom Antichrist“, “Flag of Hate“ und natürlich “Phobia“, welches seit Jahren einen festen Platz auf Kreator Konzerten eingenommen hat, rauschen durch die Boxen und sorgen dafür, dass das Publikum ordentlich durchgemischt wird. Und das ist es ja, für was man auf ein Kreator Konzert geht, oder? Zum Schluß bekommen wir noch “Hordes of Chaos“, “Violent Revolution“ und natürlich “Pleasure To Kill“ (vor dem es zu eingangs genannter Szene kommt) sozusagen als weihnachtliches Dessert mit einer neuen Ladung Konfetti (diesmal in weiß, was einen tollen schneeartigen Effekt gibt) serviert.

Ja, da gibt es nicht viel zu meckern, wer Kreator mag, sollte heute auf seine Kosten gekommen sein. Allerdings - Powerwolf I am looking at you - so insgesamt war die Stimmung an diesem Abend durchaus etwas gehemmt. Lag es am Sound? Hatten die Münchner schon zu viel Glühwein? Lag es daran, dass die Halle alles andere als ausverkauft war? Oder ist die Überschneidung zwischen Dimmu Borgir und Kreator Fans doch nicht so wirklich groß. Nach Dimmu Borgir gab es einen nicht zu verachtenden Besuchertausch vor der Bühne. Ich könnte mir vorstellen, dass zwei kleinere Konzerte einmal mit Dimmu & Bloodbath und noch eins mit Hatebreed mit Kreator durchaus für mehr Stimmung im Publikum gesorgt hätten.