Zu Besuch in Ulrichs Wohnzimmer: Guns n’Roses weihen einen Fußballtempel ein

20.06.2025 Allianz Arena München

Axl und seine Arbeitskollegen feiern Premiere: erstmals darf in der Arena im Münchner Norden eine Konzertansetzung stattfinden. Das gelingt nur teilweise – was definitiv nicht an der Location liegt. Anpfiff!

Eigentlich wollte er das ja nie haben mit diesen Konzerten, der ehemalige Hausherr Uli Hoeneß, dafür gibt es ja immerhin das Olympiastadion, wo sich in der Tat üblicherweise die Großattraktionen aus Funk und Fernsehen tummeln. Nachdem diese altehrwürdige Spielstätte aber gleich für mehrere Jahre saniert wird (vielleicht bleibt ja ein wenig Budget für sanitäre Einrichtungen übrig, die mit weniger als einer Stunde Zeitaufwand erreicht werden können), dürfen nun doch auch in München im Fußballrund Konzerte vom Stapel laufen.

Rein auf dem Papier klingt es da ja durchaus gut, dass die Einweihungsfeier von den mittlerweile konstant tourenden Gunners absolviert wird. Seit ihrer Reunion im Rahmen der „Not in this Lifetime“-Gastspielreise 2016 liefern die Herren (plus Dame) um Teilzeit-AC/DC-Sänger Axl üblicherweise ordentliche Vorstellungen ab, bei denen die geschlossene Mannschaftsleistung das ein oder andere Manko in Sachen Stimmgewalt überstrahlt – wie das bei den australischen Hardrockern ebenso der Fall ist. Insofern geben wir uns ein weiteres Mal die Ehre und stellen zunächst einmal fest, dass die Kulisse durchaus schmuck ist: das halb geschlossene Dach, die im Verlauf des Abends immer wieder mal beleuchteten Ränge, das Franz Beckenbauer-Trikot, all das ist durchaus ansehnlich. On die Akustik für eine Ansetzung dieser Art geeignet ist, daran werden sich in Folge die Geister scheiden – die Rival Sons, die als Vorkombo aufspielen dürfen, bekommen das dem Vernehmen nach wohl achtbar hin.

Nach einer relativ langen Überbrückungszeit mit mehr oder weniger eintönigen Videoanimationen auf den Leinwänden steigt die Sause dann um 19.30 mit dem etwas überraschenden Opener „Welcome to the Jungle“, den sie sonst üblicherweise später im Set versteckt haben, um mit „It’s so easy“ und „Mr. Brownstone“ ein wenig Einsingzeit zu schaffen. Was wohl auch heute die bessere Wahl gewesen wäre: der Sound ist durchaus wabernd, die Stimme ist bisweilen laut, dann wieder mal gar nicht zu hören – und ist vor allem durchaus ramponiert. Dass er die druckvollen Schreie und die Aggression nicht mehr drauf hat, das ist doch alles nicht neu und auch mehr als verständlich. Aber diese Mischung aus säuselnder Kopfstimme und tieferen Einlassungen, die der Herr heute zeigt, wurde in einschlägigen Foren ja schon im Nachgang des Düsseldorf-Konzertes zwei Tage zuvor als Micky Maus-Sound geziehen – und man muss konstatieren, dass das vielleicht etwas gemein, aber nicht gänzlich unzutreffend ist. Die Instrumentalfraktion zieht sich einstweilen ordentlich aus der Affaire, wobei echte Spielfreude auch irgendwie anders aussieht. Der drahtige Duff tönt zuverlässig tief und darf später dann auch mal singen, Herr Hudson gniedelt in seiner Persona Slash seine Wa-Wa-Pedal-Ausflüge gewohnt kompetent – allein teilweise geht auch das im Soundteppich etwas unter. Wir lassen uns (noch) nicht verdrießen, vielleicht müssen sie sich halt noch ein wenig eingrooven, das wird sicherlich noch. Nach einem brauchbaren „Live And Let Die“ (Axl schreit, nicht ganz in richtiger Tonlage, aber immerhin, nehmen wir) kündigt sich dann aber mit den ersten unnötigen Zutaten in Form von „Chinese Democracy“ und „Pretty Tied Up“ das eigentliche große Manko des Abends an.

Das Tourmotto „Because what u want and what u get r 2 completely different things” mag nämlich augenzwinkernd gemeint sein, trifft aber komplett zu: was uns heute serviert wird, das haben wir tatsächlich so ganz bestimmt nicht gewollt. Warum eine gewaltige Spieldauer von drei Stunden auffahren, wenn die Hälfte davon auf Material entfällt, das irgendwo zwischen öde, verzichtbar und nervig changiert? Auf jeden Hit kommen (wie das zugegebenermaßen schon bei den aufgeblähten beiden Use Your Illusion-Doppelalben der Fall war) gefühlt zwei Langweiler, echte Stimmung kommt nie auf, wobei das trübe Dreigestirn „Coma“, „Absurd“ und „Slither“ den ersten Tiefpunkt markiert. Aber siehe da: beim oft versemmelten „You Could Me Mine“ kommt plötzlich Hoffnung auf, das marschiert ordentlich, und auch Axl scheint sich langsam zu fangen. Perhaps a little Arnold, sagte er damals in Mannheim Ende der 80er. Schwamm drüber, jetzt geht’s richtig ab…oder auch nicht. Die obligatorische Schunkelattacke „Knockin‘ on Heaven’s Door“ geht noch in Ordnung, wir konstatieren einstweilen, dass Axl heute leider seine Hutkollektion und auch die Tom Mix-Joppen im Schrank gelassen hat – dann folgen mit „Reckless Life“, „Hard Skool“ und dem Duff-gesungenen Misfits-Cover „Attitude“ allerdings gleich weitere Vertreter der Kategorie unnötig. Ein Schelm wer denkt, dass sich so manches Stück neueren Datums oder auch Cover-Version ins Set gemogelt hat, weil Axl hier stimmlich noch am ehesten Hause ist...Das eigentlich wunderbare „Estranged“ zerfließt klanglich, Axl ist hier kaum zu hören – dann kredenzt man uns mit „Double Talkin Jive“, dem aktuellen „Perhaps“ und dem zigsten Cover („Down on the Farm“ von den UK Subs) die nächste Reihe von Gähnern. Selbst „Civil War“ zündet heute nur bedingt, irgendwie haben wir da schon mit der Idee abgeschlossen, dass das noch ein zünftiger Abend wird. Dass die Interaktion mit dem Publikum minimal ausfällt, sollte niemand überraschen, aber teilweise sind selbst die kurzen Sätze kaum zu vernehmen. Selbst Slash reißt heute die Butter nicht vom Brot: sein Gniedelsolo, das sonst immer so stimmungsvoll das Liebesthema aus dem „Godfather“ interpretierte, bringt heute nur eine kurze Hommage an das Riff von „Peter Gunn“.

Als dann die Anfangstöne von „Sweet Child of Mine“ durchs Rund schallen, da wacht die Meute endlich mal ein bisschen auf, das kennt man ja aus dem Radio. Das klappt ganz gut und zeigt, wie auch bei stimmlich überschaubarer Leistung eine ordentliche Performance drin gewesen wäre. „Rocket Queen“ gerät wieder etwas überlang, bevor dann „November Rain“ mit etatmäßigem Klafünf hübsch daherkommt – Stimme hin oder her. Und nun folgt das, was für die ganze Sache heute symptomatisch ist: anstatt den dünnen Stimmungsfaden jetzt weiterzuspinnen und ein Hitfeuerwerk abzubrennen, bringen sie mit „Catcher in the Rye“ einen weiteren komplett unnötigen Dämpfer von „Chinese Democracy“ – garniert mit der lieblosen Animation, die wir den ganzen Abend bestaunen dürfen. Wie das richtig geht mit diesen Filmchen, das haben sie doch eigentlich schon mal gekonnt. Und um den Ganzen die Krone aufzusetzen, versammelt man sich nun zur Akustik-Arbeitsgruppe und intoniert mit dem „Wichita Lineman“ ein weiteres Cover (der Zähler steht mittlerweile bei 5), wo doch eigentlich ein Schlager aus eigener Feder glänzen könnte. „Patience“ bringt mit Duff an der akustischen Sportguitarre zwar eine kleine Überraschung, aber so richtig zusammenpassen will das nicht heute. Da ist es fast schon egal, dass mit „Better“ wieder ein nicht nötiges relativ neues Stück eingebaut wird. Im Zugabenblock. Der geht jetzt mit dem „Nightrain“ endlich auf die Zielgerade – und plötzlich ist es dann doch da, das alte Feuer, das kracht und macht Freude, die Menge goutiert das sofort – umso tragischer, dass diese Momente heute so rar gesät sind. Nach dem obligatorischen „Paradise City“ ist Feierabend, man kommt nochmal und verbeugt sich im Glitzerjäckchen. Schade – das fasst es wohl am besten zusammen. Und dass uns am U-Bahn-Hof noch apokalyptische Umstände erwarten (man bringt es tatsächlich fertig, bei über 50.000 Besuchern einen 20-Minuten-Takt zu bieten – die letzten warten wohl heute noch auf den Zug, wir sind dann lieber zu Fuß die 3 km zum Park and Ride Platz gelaufen), das wissen wir da noch gar nicht. Nun denn. Da waren wir halt auch mal zu Besuch bei Ulrich.